Vor 250 Jahren kam Theres Huber zur Welt. Sie war Romanautorin, eine Vorreiterin als arbeitende Mutter und die erste Berufsjournalistin Deutschlands – beim Stuttgarter „Morgenblatt für gebildete Stände“.

Stuttgart - Es ist noch nicht lange her, da reiste Edith Neumann vom Planungsstab Stuttgarter Stadtmuseum in die Schweiz, um eine Miniatur abzuholen. Sie ist stolz auf das Kunstwerk, sehr stolz, handelt es sich doch um das einzige Porträt einer Frau, die so Ungewöhnliches leistete, dass sie es wert ist, an prominentem Ort ausgestellt zu werden. Ihr Name ist Therese Huber, und sie war nicht nur eine der bekanntesten Autorinnen und Übersetzerinnen der Goethezeit, sondern auch die erste deutsche Berufsjournalistin – eine Ausnahmeerscheinung und zugleich Vorreiterin als Working Mom und Patchworkerin.

 

Therese Huber, geborene Heyne, kam vor 250 Jahren, am 7. Mai 1764, als Tochter des angesehenen Göttinger Altphilologen Christian Gottlob Heyne und seiner Frau Therese, geborene Weiß, zur Welt und wuchs in einer Zeit auf, in der die meisten europäischen Länder unter absolutistischen Herrschern ächzten. Die das Geld, das sie nicht besaßen, mit vollen Händen ausgaben, um durch repräsentative Hofhaltungen ihre Macht, die sie glaubten, von Gott erhalten zu haben, aller Welt zu demonstrieren. Die Professorentochter wurde als Jugendliche in Reifröcke und Korsetts, die auf Wespentaille getrimmt waren, gesteckt, mangels einer Schule für Mädchen von Vater, Bruder, Studenten unterrichtet und schließlich für ein Jahr in ein Pensionat gegeben, um den letzten Schliff zu erhalten. Das alles entsprach den Gepflogenheiten der Zeit und hätte mitten in das Leben einer pflichterfüllenden und im Hintergrund bleibenden Honoratiorengattin führen können und sollen. Tat es aber nicht.

Therese Hubers Heimatstadt Göttingen war die jüngste und modernste deutsche Universitätsstadt, gehörte zum Kurfürstentum Hannover und damit zum liberalen England. Modernität und Liberalität scheinen sich auch auf die Mädchenerziehung ausgewirkt zu haben, wie sonst ist es zu erklären, dass neben Therese vier weitere Göttingerinnen heranwuchsen, die durch ihre Bildung und ihren unkonventionellen Lebensweg derart herausstachen, dass sie als die „Göttinger Universitätsmamselln“ in die Geschichte eingingen? Diese Mädchen hatten das Glück, sich in Gesellschaft aufgeklärter Geister zu bewegen, bei gelehrten Gesprächen zuzuhören, das eine oder andere Mal sogar mitreden zu dürfen und sich Zugang zu Büchern beschaffen zu können. So berichtet Therese Huber rückblickend: „Ich las, las, las und schwatzte mit meinem Vater, der mich über spekulative Gegenstände alles schwatzen ließ, las alles, was mir im Lesen vorgeführt wurde.“

Heirat mit 21

Mit 21 heiratete Therese Huber den zehn Jahre älteren Georg Forster, der an der Seite von James Cook die Welt umsegelt hatte, als gefeierter Reiseschriftsteller an den Fürstenhöfen Europas herumgereicht worden war und schließlich zuerst an der Universität Kassel, dann an der Universität Wilna eine Professur für Naturkunde innehatte. An seiner Seite sammelte Therese Forster „1000 Nationen – denn von meiner Heirath an sah ich nun Menschen und Welt“. Sie wohnte mit ihrem Mann in Wilna und anschließend in Mainz, wo er eine Stelle als Bibliothekar an der Universität erhalten und wohin es kurz zuvor Ludwig Ferdinand Huber verschlagen hatte. Der sächsische Legationssekretär war 1764 in Paris zur Welt gekommen, in Leipzig aufgewachsen und hatte sich mit Übersetzungen, Rezensionen und erfolglosen Dramen durchs Leben geschlagen, gefördert von seinem Freund und zeitweiligen Mitbewohner Friedrich Schiller. Huber konnte die Freundschaft des Ehepaares Forster gewinnen, und während der Hausherr auf Reisen war, entwickelte sich zwischen ihm und der Hausherrin eine Liebesbeziehung, die nach der Rückkehr Forsters in eine Ehe zu dritt mündete.

Als im Zuge der Koalitionskriege die revolutionären französischen Truppen 1792 nach Mainz vorrückten, den Kurfürst vertrieben und dann die erste Republik auf deutschem Boden gründeten, begrüßten Forsters und ihre Freunde den Einzug der Sansculotten als „Morgenröthe der Freiheit“. Therese Forster interpretierte diese Morgenröte auf ganz eigene Weise, setzte sich mit ihren beiden Kindern in die französische Schweiz ab und forderte die Scheidung. Ludwig Ferdinand Huber folgte ihr, Georg Forster hingegen reiste nach Frankreich, um den Anschluss von Mainz vor dem Nationalkonvent zu vertreten. Nur widerwillig fügte er sich in die Pläne seiner Frau, wurde kurz nach einem Treffen an der Grenze krank und starb im Januar 1794 einen einsamen Tod in Paris. Wenig später heirateten Therese und Ludwig Ferdinand Huber und blieben in der Schweiz, bis sich in Deutschland niemand mehr für die Gerüchte über ihre Beziehung und ihr vermeintliches Jakobinertum interessierte. Einer vergaß jedoch nicht, noch 1805 schrieb Schiller über Therese Huber: „Mit diesen schlechten Naturen beschmutzt man sich nur und ist nichts als Verdruß zu gewinnen.“

Die größer werdende Familie am Lac de Neuchâtel wollte ernährt werden. Ludwig Ferdinand Huber übersetzte und schrieb für den Tübinger und Stuttgarter Verleger Johann Friedrich Cotta. Seine Frau half ihm, fand so zu ihrer wahren Profession, dem Schreiben, und wurde zur Working Mom: „So verdiente ich wohl die Hälfte unseres Einkommens, indem ich mit dem Kinde an der Brust, neben der Wiege und in den Nachtstunden, wo alles schlief, meinen Kopf dadurch erhellte, dass ich die heftigen Gefühle meines Herzens und den Flug meiner Fantasie in deutliche Bilder einschränkte und an den Faden meiner Erzählung anreihte.“ Unter ihrem Namen veröffentlichte Therese ihre Werke aber nicht, der Verfasser war nach außen Ludwig Ferdinand Huber, wusste das Paar doch zu gut, dass einer Frau viel weniger Honorar bezahlt wurde und eine schreibende Mutter Gefahr lief, der Vernachlässigung ihrer Kinder bezichtigt zu werden.

Ein ewiges Scheitern an der Wirklichkeit

In schneller Folge entstanden die Romane „Abentheuer auf einer Reise nach Neu-Holland“, „Sophie“, „Familie Seldorf“, „Luise“ – Romane, die ungewöhnliche Frauenschicksale in den Mittelpunkt stellen. Therese Huber scheute nicht vor neuen und außergewöhnlichen Stoffen zurück. In „Neu-Holland“ stellte sie die Situation der in der Strafkolonie lebenden Engländer dar und schuf damit den ersten Roman der Weltliteratur, der in Australien spielt. In „Familie Seldorf“ entwarf sie ein Bild der Französischen Revolution, wie es wohl keinem anderen deutschen Autor je eindringlicher gelang. Viele von Hubers Figuren scheitern an der Konfrontation mit der Wirklichkeit, sie können ihre oft schwärmerischen Erwartungen nicht mit den Anforderungen der Gesellschaft in Einklang bringen. Unschwer lassen sich darin Therese Hubers eigene Erfahrungen erkennen, doch zugleich handelt es sich um die brennenden Themen der zeitgenössischen Literatur, man denke nur an Goethes „Werther“ oder dessen „Wahlverwandtschaften“.

1799 war die Zeit des Exils vorbei, Cotta konnte Huber als Redakteur der „Neuesten Weltkunde“, aus der die „Allgemeine Zeitung“ hervorging, nach Deutschland zurückholen. Die Familie zog 1800 nach Stuttgart und, als die württembergische Zensur immer rigider wurde, Ende 1803 mitsamt der Zeitung ins damals bayerische Ulm. Doch wenig später schlug das Schicksal zu: Im Sommer verlor die Familie das kurz zuvor geborene zehnte Kind, bald darauf eine siebenjährige Tochter, Ludwig Ferdinand Huber kehrte krank von einer Reise zurück und starb am 24. Dezember 1804. Seiner Witwe, die insgesamt sechs Kinder verloren hatte, blieb nichts anderes übrig, als eine ihrer beiden fast erwachsenen Töchter schnell zu verheiraten und dann mit ihren beiden jüngsten Kindern zu ihr nach Stoffenried und schließlich Günzburg umzusiedeln.

Um den Kindern eine standesgemäße Versorgung zu sichern, wurde mehr denn je eine Patchworkerin aus ihr. Sie schrieb und übersetzte, doch nicht nur das: 1816 berief Cotta Therese Huber nach Stuttgart, um sie zuerst am „Kunstblatt“, dann am „Morgenblatt für gebildete Stände“ als Co-Redakteurin anzustellen. Schon wenige Monate später schüttelte sie den Mitredakteur Johann Christoph Friedrich Haug ab und hielt die Fäden allein in der Hand.

Die Berufung Therese Hubers war ein kluger Schritt gewesen, denn erst unter ihrer „frauenzimmerlichen Redaktion“ öffnete sich das „Morgenblatt“ der großen Themenvielfalt, für die es berühmt wurde, und entwickelte sich zu der nationalen Kulturzeitschrift jener Zeit. Die Auflagenzahlen sprangen nach oben, um erst nach ihrem Ausscheiden wieder zu fallen. Später sollte Gustav Schwab im „Morgenblatt“ über die ehemalige Redakteurin schreiben: „Sitten und Institutionen, Erfindungen, Entdeckungen am Himmel und auf der Erde, nach allem sah der gebildete und wissbegierige Geist dieser Frau sich um, zog, was in dem Bereich des Blattes war, herein in dasselbe.“ In Stuttgart war Therese Huber eine Institution, verkehrte in den Honoratiorenzirkeln, wurde dem König vorgestellt und war Anlaufpunkt für illustre Besucher, darunter Jean Paul und Ludwig Börne. Sie wurde nie richtig warm mit den Residenzstädtern, hielt sie für konventionell und zu wenig weltoffen, trotzdem vermisste sie die Stuttgarter Gesellschaft, nachdem sie am Ende ihrer Redaktionszeit in den Kreis der Familie nach Augsburg umgezogen war.

Als Therese Huber am 15. Juni 1829 dort starb, lag die Französische Revolution 30 Jahre zurück, war die kurze Spanne, in der manche Frauen eine Morgenröte der Freiheit hatten empfinden können, wieder vorbei. Die in der Napoleonzeit nur locker unter der Brust geschnürten Kleider waren abgelegt, erneut standen Korsetts und Reifröcke hoch im Kurs. Die Frau, die als Working Mom und Patchworkerin zuerst das halbe, dann fast das komplette Familieneinkommen verdient hatte und zu Recht von sich behaupten konnte, „mein Leben löste seine Aufgabe, ich erbaute, ich schuf mein geistiges Selbst“, besaß keine Vorbildfunktion und wurde schon bald vergessen.