Die Frauen-Bundesliga freut sich über das deutlich gestiegene Interesse. Langfristig darf sich aber nicht alles auf die Topvereine VfL Wolfsburg und FC Bayern konzentrieren.

Gefühlt steht Tommy Stroot seit einiger Zeit kräftig auf der Bremse. Als wolle der Trainer der Fußballerinnen des VfL Wolfsburg auf einer Teststrecke des Autokonzerns das Anhalten mit einem flotten Fahrzeugmodell erproben. Immer wieder erreichen den Coach des VW-Werksvereins vor der Wiederaufnahme des Bundesliga-Spielbetriebs am Samstag (14 Uhr) beim SC Freiburg Fragen, ob erstmals eine Saison mit 22 Siegen möglich ist. Stroot macht solche Spielchen nicht. „Grundsätzlich erscheint es total unrealistisch, eine komplette Saison ohne Punktverlust bleiben zu können. Irgendwann werden auch mal Rückschläge kommen. Mal sehen, wie weit wir diesen Zeitpunkt noch nach hinten verschieben können“, sagt der 34-Jährige, der zudem daran erinnert, dass vor einem Jahr noch über die Wachablösung des VfL debattiert worden war.

 

Der VfL Wolfsburg hat 2022 alle Spiele in Liga und Pokal gewonnen

Doch das erfolgshungrige Ensemble um Nationalmannschaftskapitänin Alexandra Popp hat 2022 in Liga und Pokal alle 26 Spiele gewonnen. Die Dominanz des Titelverteidigers und Tabellenführers (30 Punkte) vor dem FC Bayern München (25) und Eintracht Frankfurt (23) wirkt so erdrückend, dass der Frankfurter Vorstandssprecher Axel Hellmann, der interimsmäßig auch der Deutschen Fußball-Liga vorsteht, schon unkte, die Wolfsburger Übermacht sei „nicht gut für das Sportprodukt Frauenfußball“.

Die Bemerkung kam bei Stroot gar nicht gut an. „Irgendwann kommt die Diskussion, der deutsche Frauenfußball sei nicht mehr gut genug im internationalen Vergleich. Wir sollten nicht oben weiter sparen und die Latte anders legen, sondern von unten nachschieben.“ In den vergangenen zehn Jahren wurde siebenmal der VfL Wolfsburg und dreimal der FC Bayern deutscher Meister. Im Pokal schnappten sich die „Wölfinnen“ sogar achtmal in Serie die Trophäe.

Die beiden Topclubs rüsten weiter auf

Dahinter klafft eine Lücke, auch was die internationale Wettbewerbsfähigkeit angeht. Die Frauen aus Wolfsburg und München stehen im Viertelfinale der Champions League (Auslosung am 10. Februar), während die Frankfurterinnen bereits in der Qualifikation strauchelten, obwohl für sie in Laura Freigang, Sjoeke Nüsken, Sophia Kleinherne und Nicole Anyomi auch vielversprechende deutsche Nationalspielerinnen antreten. Doch der VfL Wolfsburg und der FC Bayern können sportlich und wirtschaftlich die besten Perspektiven bieten. Als Nächste wechselt Chantal Hagel (TSG Hoffenheim) im Sommer ablösefrei nach Wolfsburg. Die Topclubs rüsten ihre Kader für die gestiegene Belastung auf, müssen zudem immer höhere Gehälter zahlen, um auf Augenhöhe mit dem FC Chelsea, FC Barcelona, Olympique Lyon oder Paris Saint-Germain zu bleiben.

Die verstärkte Konzentration auf zwei Topvereine kann durchaus als Gefahr für eine Liga angesehen werden, in der die Spielerinnen immer noch nicht durchgängig professionelle Bedingungen vorfinden. Die Frauenabteilungen sind für Lizenzvereine weiterhin ein Zuschussgeschäft. Daher ist der von der Nationalelf durch den Finaleinzug bei der Europameisterschaft in England angestoßene Hype wichtig, um die Vermarktung zu verbessern. Statt wie früher nicht mal jeder dritte interessiert sich nun angeblich fast jeder zweite Deutsche für den Frauenfußball.

Rekord bei den Zuschauerzahlen schon nach zehn Spieltagen

Vereine und Verband haben mit Highlightspielen einige geschickte Doppelpässe gespielt – in Frankfurt, Wolfsburg und Bremen kamen dazu jeweils mehr als 20 000 Zuschauer, aber auch in der Breite hat sich der Zuspruch deutlich erhöht: Mit 183 477 Besucher an den ersten zehn Spieltagen (im Schnitt 3058) ist schon jetzt der Bestwert aus der Saison 2013/14 übertroffen. Nach einer DFB-Studie könnte das kommerzielle Wachstum in den nächsten zehn Jahren daher enorm hoch sein: Demnach würde es 2031/32 bestenfalls eine Liga mit 16 Lizenzvereinen gegeben, die im Schnitt vor 7500 Zuschauern spielt und 130 Millionen Euro in einer Saison umsetzt. Und dann soll es auch 500 000 aktive Spielerinnen geben (statt aktuell 186 000).

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist über den Effekt ihrer Vizeeuropameisterinnen erfreut: „Das Schönste ist, dass diese EM nachwirkt – mehr Zuschauer in der Frauen-Bundesliga und Women’s Champions League, die tolle Kulisse bei unserem Länderspiel in Dresden sowie vor allem die zahlreichen Neuanmeldungen von Mädchen und Jungen in Amateurvereinen.“ Inzwischen haben viele Lizenzvereine erkannt, dass die professionelle Förderung von Männer wie Frauen unter einem Dach ein gesellschaftlicher Auftrag ist. Auch wenn es immer noch Clubs gibt, die auch hier auf der Bremse stehen.