Die 13. Europameisterschaft in England verrückt die Maßstäbe für den Fußball der Frauen und verzückt den Uefa-Präsidenten Aleksander Ceferin.

Ziemlich viel Fußballprominenz hatte sich am Sonntagmorgen am noblen Grosvenor Square in London gar nicht weit weg vom Buckingham-Palast versammelt. Die Dachorganisation Uefa hatte zu einem hochkarätigen Final-Forum mit dem Slogan „Raise the bar“ – das Level heben – geladen, weil es ja keine Zweifel mehr gibt, dass die 13. Europameisterschaft in England neue Maßstäbe für den Frauenfußball gesetzt hat. „Es war ein beeindruckendes Turnier. Wir haben viel erwartet – aber so viel haben wir nicht erwartet“, sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin, als ihn die britische Moderatorin Jacqui Oatley befragte, die seit 2005 alle EM-Turniere erlebt hat – und nicht minder beeindruckt war.

 

Zuletzt 2017 in den Niederlanden und 2013 in den Schweden war vieles organisatorisch gut gelaufen, aber es hatte teils atmosphärisch noch viel Luft nach oben gegeben. Nun aber strömten 570 000 Fans zu den 31 EM-Partien, mehr als 18 000 Zuschauer im Schnitt. Vor fünf Jahren waren es erst 240 000 Besucher. Weltweit haben am Fernseher zudem rund 300 Millionen zugesehen, die Resonanz in den sozialen Medien hat sich vervielfacht.

„Aber nicht nur die Zahlen sind imposant: Wir haben superschöne Tore, enorme technische Fähigkeiten gesehen“, sagte Ceferin. „Eine Menge Leute haben vorher gezweifelt, jetzt bewundern sie dieses Turnier.“ Der 54-Jährige empfahl mit einem Augenzwinkern allen Topmarken, in den Frauenfußball zu investieren, „noch ist es nicht so teuer“. In der Luxusherberge Biltmore Mayfair hörten auch DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich, die Ex-Funktionärin Hannelore Ratzeburg oder Uefa-Exekutivmitglied Rainer Koch, aber auch Ex-Nationalspielerinnen wie Tabea Kemme, Josephine Henning oder Babette Peter, wie der Uefa-Chef einen persönlichen Dank an Nadine Keßler richtete, die in einem auffälligen rosafarbenen Kostüm gekommen war.

Die Uefa-Abteilungsleiterin Frauenfußball hat mit ihrer stringenten Arbeit und gleichermaßen freundlichen Art erheblichen Anteil an so manchem Fortschritt – sie hat schon so manche Tür geöffnet. Die gebürtige Pfälzerin freute sich besonders, dass fast 100 000 Kinder in die Stadien von Manchester, Rotherham, Sheffield, Southampton oder Brighton strömten. Fast die Hälfe des Publikums war somit weiblich. „Wir haben ein Turnier für die Geschichtsbücher erlebt“, sagte die 34-Jährige. Und: „Der Fußball war fantastisch.“ Die frühere Weltfußballerin des VfL Wolfsburg verriet aber zwischendrin auch noch: „Ich bin nie glücklich: Ich bin Deutsche.“ Noch sei also genug zu tun.

In dieselbe Kerbe schlug Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die am Tag vor dem Finale einen globalen Aufruf startete: „Wir werden am Ende nur dann gewinnen, wenn wir all das, was jetzt gerade passiert, ob in Deutschland, in England oder in Europa oder in der Welt, wenn wir das auch mit einer Nachhaltigkeit beenden können. Es muss etwas übrig bleiben.“ Die 54-Jährige schob hinterher: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Ceferin betonte, dass „Sponsoren, TV-Anstalten und alle anderen“ gefordert seien, und versprach, dass die Uefa auf keinen Fall nachlassen werde. „Die Entwicklung muss weitergehen, genauso wie im Männerfußball.“ Doch es ist beileibe nicht erstrebenswert, die teils entrückten Dimensionen der Männer als Orientierungspunkt zu nehmen, weil dann der familiäre Charakter fehlen würde.

So war der von den DFB-Frauen dreimal genutzte Spielort Brentford mit einem 17 000 Plätze bietenden Stadion eine optimale Lösung. Dass sich Fans am Community Stadium nach einem Match noch Autogramme und Selfies abholen konnten; dass Angehörige zu den Protagonisten durchdrangen; dass Sicherheitskräfte und Parkwächter mal ein Auge zudrückten, gehört auch zur besonderen Nähe.

Wo findet die nächste EM statt?

Frauenturniere sollten Familientreffen und Kontaktbörse bleiben – wird es klinisch rein und hermetisch abgeriegelt wie eine EM oder WM bei den Männern, verkaufen sie ihre Seele. Dessen sollten sich alle bewusst sein. Noch denkt die Uefa nicht an die Erweiterung von 16 Teilnehmern einer EM, während die Fifa die WM 2023 in Australien und Neuseeland bereits mit 32 Teilnehmern ausspielt.

Wo die EM 2025 stattfindet, darüber wird zum Jahresende entschieden. Nachdem sich die Ukraine wegen der Kriegswirren aus dem Bewerberkreis zurückgezogen hat, stehen Frankreich, Schweiz, Polen und eine Allianz mit Finnland, Norwegen, Schweden und Dänemark parat.

Die skandinavische Variante besitzt einigen Charme, weil die Länder eine enge Beziehung zu Frauensportarten besitzt. Polen wäre der Gegenentwurf, denn hier kommt der Frauenfußball erst seit wenigen Jahren voran. Der Uefa möchte den in weiten Teilen Osteuropas noch sehr stiefmütterlich behandelte Frauen- und Mädchenfußball endlich einen kräftigen Wachstumsschub bescheren. Der Slowene Ceferin sagte zum kommenden Ausrichter nur: „Es wird schwer: Wenn der nächste Veranstalter dieses Level erreicht, wäre es ein Erfolg.“