Werbung will Aufmerksamkeit erzeugen. Wann dabei die Grenze zum Sexismus erreicht wird, darüber verhandeln derzeit die Volleyball-Bundesligisten und der Deutsche Werberat. Auch in Stuttgart wird über den Reiz der Rückseite und doppeldeutige Slogans diskutiert.

Stuttgart - Im Volleyball wird nicht nur um jeden Satz, jeden Zuschauer und jede TV-Minute gekämpft, sondern auch um jeden Euro. Der Branchendienst „Sponsors“ hat errechnet, dass die 24 Bundesliga-Vereine (Männer und Frauen) im Schnitt nur eine Million Euro pro Saison umsetzen – weniger als die Männer-Zweitligisten im Handball (1,4) oder Eishockey (2,6). Umso wichtiger ist es für Volleyball-Clubs, ihren Sponsoren jede nur denkbare Werbemöglichkeit anbieten zu können. Auch unter der Gürtellinie.

 

Schon lange ist es üblich, dass Vereine die Kehrseite ihrer Volleyballerinnen vermarkten. Meist steht hinten auf der Hose der Schriftzug einer Firma, manchmal ein keckes Wortspiel. Und beim VfB Suhl ein doppeldeutiger Slogan, mit dem sich aktuell der Deutsche Werberat beschäftigt.

Das Team aus Thüringen wird vom Landkreis Schmalkalden-Meiningen unterstützt, rund 70 000 Euro erhält der VfB dafür, dass auf dem Po seiner Bundesliga-Volleyballerinnen der Schriftzug „Prachtregion.de“ zu lesen ist – unter dieser Internetadresse preist der Landkreis seine Vorzüge in Sport, Natur, Wirtschaft und Kultur an. Beim Deutschen Werberat gingen nun mehrere Beschwerden ein, die Kritiker halten diese Art der Po-Werbung für sexistisch und herabwürdigend. Der Aufdruck „Prachtregion.de“ an dieser Stelle suggeriere, dass es sich dabei um das Gesäß der Spielerinnen handle, die somit allein auf ihre Körperlichkeit reduziert würden. Eine Sichtweise, die Peggy Greiser nicht teilt.

Die Landrätin des Kreises Schmalkalden-Meiningen findet nichts Anstößiges an der Werbung. „Durchtrainierte Sportler sind wie Models sexy Werbe-Ikonen, da guckt man gerne hin“, sagt Greiser, die aber einräumt, mit der Botschaft bewusst provozieren und Aufmerksamkeit erzielen zu wollen. Gegenüber der „Bild“ sagte sie: „Wir präsentieren uns hier auf wahrhaft prächtigen Körperregionen. Das ist anzüglich, aber ganz sicher nicht sexistisch.“

Die Beschwerden vor einem Jahr wies der Werberat zurück

Ob Greiser mit dieser Einschätzung richtigliegt? Das überprüft nun der Deutsche Werberat. Wie der Fall ausgeht, ist offen. Vor einem Jahr gab es keine Beanstandung. Damals warb der Landkreis mit dem Slogan „beste-lage.com“ auf dem Po der VfB-Volleyballerinnen für das Industriegebiet Thüringer Tor. Beschwerden darüber wies der Werberat mit der Begründung zurück, es sei klar zu erkennen, dass mit der beworbenen Lage Gewerbeimmobilien gemeint seien und nicht die Hintern der Spielerinnen. „Sie wurden in diesem Fall nicht als verfügbare Objekte dargestellt“, sagt Katharina Jahn-Günther, Pressesprecherin des Werberats.

Noch also darf Landrätin Greiser hoffen, auch diesmal nicht gerügt zu werden – vom Werberat. Schon jetzt nicht gut auf sie zu sprechen sind dagegen einige andere Bundesligisten, nachdem die Politikerin erklärt hatte: „Auch die Volleyballerinnen aus Dresden, Schwerin, Vilsbiburg oder Stuttgart werben mit doppeldeutigen Slogans auf dem Po.“ Beim Dresdner SC („AOK Plus“), Schweriner SC („Kurzurlaub.de“) und den Roten Raben Vilsbiburg („Bayer Riedl Personalservice“) ist diese Behauptung auf den ersten Blick zu widerlegen. Und auch die Verantwortlichen von Allianz MTV Stuttgart können mit der Sichtweise Greisers nichts anfangen.

MTV-Geschäftsführer Aurel Irion: „Unsere Botschaft ist charmant“

Seit sechs Jahren steht hinten auf den Hosen der Stuttgarterinnen der Slogan „SCHARRmant“. „Es gibt sicher Werbung, die an dieser Stelle nicht gut platziert wäre, da ist Augenmaß nötig“, sagt Hauptsponsor, Energie-Unternehmer und Gesellschafter Rainer Scharr, „den Ausdruck ‚Prachtregion‘ halte ich für grenzwertig, unser Spruch dagegen ist alles andere als doppeldeutig. Es gab auch nie negative Rückmeldungen der Spielerinnen.“ Über die sich Aurel Irion auch wundern würde. „Unsere Botschaft ist charmant“, erklärt der MTV-Geschäftsführer, „wenn einer unser Sponsoren auf dem Po den Slogan ‚Prachtregion‘ platzieren wollte, würden wir dies ablehnen. Man kann an dieser Stelle nicht alles bewerben.“ Kim Renkema findet die Kritik an der Werbebotschaft auf dem Po der Suhler Volleyballerinnen zwar „etwas weit hergeholt“, die Stuttgarter Sportchefin sagt aber auch: „Dieser Slogan kann schon falsch verstanden werden. Im Gegensatz zu unserem kreativen Spruch.“

Egal wie der Werberat im zweiten Fall Suhl entscheidet, die Volleyball-Bundesligisten werden weiter an ihrer Marke arbeiten. Bei Sponsoren, Fans, Medienmachern. Zwar nicht mit allen Mitteln, aber doch auch nicht allein mit dem sportlichen Reiz. Das MTV-Motto zum Beispiel lautet „Stuttgarts schönster Sport“, fünf Erfurter Volleyballerinnen im Abendkleid lächeln derzeit auf Plakaten an Straßenbahnhaltestellen. Darunter steht der Spruch „Erfurts längste Beine“. Und der Kalender des Dresdner SC, für den sich die Spielerinnen mal elegant, mal sportlich, mal sexy ablichten lassen, ist seit 20 Jahren ein Renner. „Im Frauenvolleyball geht es nicht nur um Power und Emotionen, sondern auch um Eleganz“, sagt Bundesliga-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung, „viele Vereine spielen deshalb ganz bewusst auch mit der Optik und den körperlichen Reizen ihrer Spielerinnen. Das gehört dazu, es darf allerdings nie in den sexistischen Bereich abdriften.“

Was durchaus eine schwierige Gratwanderung ist. Nicht nur, wenn es um Werbung unter der Gürtellinie geht.