Weil Neuhausen nicht bereit ist, 335,44 Euro mehr zu zahlen im Jahr, geht dem Hilfsverein „Frauen helfen Frauen“ mutmaßlich viel Geld verloren. Für den Verein ist dies absurd – und hochproblematisch.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Tanja Schneider und Hannelore Moll wissen nicht mehr weiter. Zwei Jahre lang haben sie alles probiert, Stunde um Stunde darauf verwendet, gerechnet, argumentiert, geworben. „Das war alles umsonst“, sagt Hannelore Moll. Sie ist im Vorstand des Vereins „Frauen helfen Frauen Filder“. Tanja Schneider ist hauptamtliche Mitarbeiterin, und vor ihr liegt die Chronologie dessen, was in den vergangenen zwei Jahren passiert ist. Aus heutiger Sicht ist es die Chronologie einer herben Niederlage – und eines Finanzierungsproblems, das offenbar mit einer dreistelligen Geldsumme zu lösen wäre.

 

Verein ist auf Zuschüsse angewiesen

Aber von vorn. Der Hilfsverein hat zwei Standbeine. Zum einen ein Haus, in dem Frauen und Kinder unterkommen, die Schutz vor Gewalt in der Familie suchen. Zum anderen gibt es seit 20 Jahren eine Beratungsstelle in Bernhausen für Opfer häuslicher Gewalt. Für seine Arbeit ist der Verein unter anderem auf Zuschüsse der Kommunen angewiesen. Insgesamt 22 735 Euro fließen jährlich. Diese Summe teilen sich die Filderkommunen Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen, Ostfildern und Neuhausen und bewilligen sie jeweils für drei Jahre. Neuerdings zieht auch Denkendorf mit. So weit, so gut.

Für die Beratungsstelle hat der Verein zwei 20-Prozent-Stellen. Das reicht aber laut Tanja Schneider und Hannelore Moll nicht mehr aus. „Die Beratungen sind intensiver geworden“, sagt Tanja Schneider. Zudem hätten sie immer mehr mit Flüchtlingsfrauen zu tun. Deshalb klopfte der Verein im Oktober 2015 bei den Kommunen an wegen eines Zuschusses für eine 20-prozentige Aufstockung.

Von fast allen Kommunen bekam der Verein ein positives Signal. Aber eben nur von fast allen. Die Verhandlungen mit Neuhausen seien sehr schleppend verlaufen, berichten Tanja Schneider und Hannelore Moll. Und am Ende stand zwar ein einmaliger Zuschuss für 2016, aber eben auch eine Absage für alle weiteren Jahre. In einer E-Mail vom 16. Juni schreibt der Leiter des Sozial- und Ordnungsamts, Uwe Schwartz, dass „Frauen helfen Frauen“ auf den Extra-Zuschuss aus Neuhausen verzichten müsse. „Eine ergänzende Diskussion ist nicht vorgesehen, womit die weitere finanzielle Bezuschussung darüber hinaus nicht möglich ist“, steht in dem Schreiben.

Das sind gut 90 Cent am Tag

Aus Sicht des Hilfsvereins ist die Absage absurd – und hochproblematisch. Absurd deshalb, weil es sich für die Gemeinde Neuhausen um 335,44 Euro mehr handele, „das sind gut 90 Cent am Tag“, sagt Hannelore Moll und lacht. Hochproblematisch ist das Nein aus Neuhausen, weil dem Verein nun nicht nur jene 335,44 Euro flöten gehen, sondern der gesamte Betrag für die Aufstockung, also 12 000 Euro im Jahr. Die Fildergemeinden haben nämlich miteinander verabredet, dass die Zuschüsse an den Verein vom Ja aller abhängig ist. Heißt: Zahlt eine Gemeinde nicht, zahlt keine.

„Von Neuhausen wurde frühzeitig signalisiert, dass sich eine generelle Erhöhung derzeit nicht so einfach gestaltet und diese in Folge abgelehnt wird“, schreibt Bernd Schober, Haupt- und Personalamtsleiter in Neuhausen. „Eine etwaige generelle Erhöhung des Zuschusses, welcher von Neuhausen derzeit explizit nicht an den aktuellen Fallzahlen orientiert ist, müsste von uns durch die Haushaltsstrukturkommission diskutiert und beschlossen werden.“

Der Verein hat sich hilfesuchend an die restlichen Kommunen gewandt, es gab Gespräche mit Neuhausen. „Offensichtlich konnten sie aber nichts mehr bewegen“, sagt Tanja Schneider. „Das ist sehr bitter für uns.“ Filderstadts Erster Bürgermeister Andreas Koch hat wenig Hoffnung, dass sich am Beschluss in Neuhausen etwas ändert, sagt er auf Nachfrage unserer Redaktion. Es habe mehrere Gespräche deshalb gegeben. „Wir sitzen da alle in einem Boot“, sagt Koch. Was bedeutet, dass der Frauenhilfsverein bezüglich des Extra-Geldes leer ausgehen wird. „Wir haben uns darauf verständigt, dass wir es nur gemeinsam machen“, sagt Koch. Nun einen ausscheren zu lassen, hält er für falsch. Eine Nebenabrede könnte weitere nach sich ziehen.

Verein will Politik herausfordern

In der Sitzung des Gemeinderats von Leinfelden-Echterdingen kam das Thema am Dienstag ebenfalls kurz zur Sprache. Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell verwies, wie sein Kollege aus Filderstadt, auf die Vereinbarung. „Nur wenn alle mitmachen, fließt das Geld.“ Das hätten die gemeinderätlichen Gremien aller Kommunen so beschlossen.

Weil der Verein im Jahr 2016 die 12 000 Euro für die Aufstockung – auch von Neuhausen – bewilligt bekommen hat, arbeitet Tanja Schneider gerade 20 Prozent mehr. Ihre Arbeitszeit wieder zurückzufahren, kommt für den Verein nicht infrage. Das sagt Hannelore Moll deutlich. Zu wichtig seien die 20 Prozent für Frauen, die gerade durch die Hölle gehen. Doch aus der Vereinskasse oder mit Spenden sei die Summe nicht zu stemmen. Mit Spenden würden in der Regel Projekte finanziert. „Eine Grundfinanzierung kann man nicht auf Spenden aufbauen“, sagt Moll. „Was mich am meisten belastet“, sagt Schneider, „wir haben keine Sicherheit“. Aufgeben ist keine Lösung. „Wir dürfen uns nicht davon verabschieden, die Politik herauszufordern“, sagt Hannelore Moll. Eine andere Strategie muss her. Der Anfang wäre, alle Kommunen an einen Tisch zu setzen und nicht immer um fünf Ecken zu verhandeln.

Mehr Infos:

Der Verein Frauen helfen Frauen Filder hat insgesamt 60 Mitglieder, die meisten davon sind passiv. Die Beratungsstelle ist montags, mittwochs und freitags von 9 bis 12 Uhr geöffnet. Sie ist telefonisch erreichbar unter 07 11/7 94 94 14. Weitere Infos gibt es unter www.frauenhelfenfrauenfilder.de.

Im vergangenen Jahr hat die Beratungsstelle des Vereins mit 90 Frauen insgesamt 179 Gespräche geführt. Im Frauen- und Kinderschutzhaus des Hilfsvereins sind im zurückliegenden Jahr 13 Frauen und deren 14 Kinder aufgenommen worden. Sie blieben im Durchschnitt sieben Monate dort.

Der Verein Frauen helfen Frauen Filder erhält Zuschüsse von den Filderkommunen und vom Landkreis Esslingen sowie Spenden. Die Spenden sind in der Regel projektbezogen. Geld vom Landkreis gibt es für spezielle Aufgaben, die mit zweckgebundenen Pauschalen honoriert werden.