Frauen im Porträt Netzwerkerin ohne Angst vor Hürden

Samira Djidjeh engagiert sich bei den Digital Media Women, einem beruflichen Frauennetzwerk. Sie ist auch Mitgründerin eines grafischen Trickfilmstudios. Der Stift ist ihr Arbeitsgerät. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Samira Djidjeh leitet den Regionalverband der digitalen Medienfrauen (DMW). Das Netzwerk klagt nicht über zu wenig Frauen in Führungspositionen, sondern will zeigen, wie Firmen mit mehr Spitzenfrauen einen Kulturwandel geschafft haben.

Stuttgart - Samira Djidjeh ist ein Energiebündel. Die zierliche Frau mit den blonden Locken und der dunkelblauen Bluse mit feinen weißen Streifen hat vor fünf Jahren zusammen mit einem Partner den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt, hat einen noch nicht schulpflichtigen Sohn, und findet obendrein noch Zeit, in dem beruflichen Netzwerk der Digital Media Women (DMW) aktiv zu sein. Dessen Ziel ist, die Männerdomäne in den Berufen rund ums Internet zu durchbrechen.

 

Djidjeh sitzt in einem kleinen Café in der Neckarstraße im Stuttgarter Osten vor einem Cappuccino. Frage an die Netzwerkerin: Wie können Frauen vorankommen? Die 36-Jährige lächelt gewinnend. „Indem sie lernen, ihre Ziele klar zu formulieren, und sich bewusst werden, was die Hürde ist, die sie davon abhält“, sprudelt es aus ihr heraus. Wenn Frauen die Hürde kennen, davon ist sie überzeugt, können sie diese als Gemeinschaft überwinden.

Die Digitalisierung hilft

Zum Beispiel mithilfe des Netzwerks, das über Hürden öffentlich spricht. „Sichtbarkeit ist das Mittel, den Scheinwerfer auf das Hindernis zu richten.“ Die Digitalisierung ist dabei durchaus ein Vorteil, weiß die Gründerin. Sie hilft, örtlich und zeitlich unabhängig zu arbeiten, sich auszutauschen und bei Projekten einzubringen. Es sei spannend, begeistert sich Djidjeh, dass in verschiedenen Städten ähnliche Ideen entwickelt werden und junge Frauen wie Greta Thunberg in den Blickpunkt rücken. „Ich habe das Gefühl, gerade passiert etwas“, sagt sie und klingt dabei ganz optimistisch.

Das Netzwerk der Digital Media Women haben ursprünglich Journalistinnen im Jahr 2010 gegründet, inzwischen zählt es bundesweit mehr als 16 000 Mitglieder, überwiegend Frauen. Sie kommen heute aus allen Berufen, in denen digital gearbeitet wird: aus dem Finanzbereich, der produzierenden Wirtschaft, aus Technik, Medien und Politik. Die Frauen arbeiten selbstständig oder sind angestellt, sie sind Berufsanfänger und erfahrene Expertinnen. Allen ist wichtig, sich auszutauschen, ihr Wissen zu teilen und sich weiterzuentwickeln. Sie wollen aber auch ihre berufliche Kompetenz zeigen – indem sie mehr Frauen auf die Podien der männerdominierten Konferenzwelt bringen.

Djidjeh ist auf die Plattform aufmerksam geworden, weil sie sich für einen dort angebotenen „coolen“ Workshop interessierte, erzählt sie. Sie wollte aber dafür nicht nach Berlin oder Hamburg fahren. Also hat sie kurz entschlossen angefragt, ob so ein Workshop nicht auch in Stuttgart angeboten werde. Momentan noch nicht, so die Antwort, aber es gebe bereits Pläne, sich auszubreiten.

Alles wird ehrenamtlich auf die Beine gestellt

Das Netzwerk hatte damals erst fünf von mittlerweile neun Regionalverbänden, genannt Quartiere. Kurze Zeit später erreichten Djidjeh der Anruf und die Frage, ob man beim Aufbau eines neuen Quartiers auf sie zählen könne. Das war vor mehr als drei Jahren. „Ich bekam eine erfahrene Frau als eine Patin zur Seite gestellt“, sagt Djidjeh, die seither das Stuttgarter Quartier leitet. Diese half ihr zusammen mit dem Gründungsteam, ein Programm auf die Beine zu stellen, Termin und Veranstaltungsort festzulegen und Einladungen über Facebook zu verschicken. 25 Frauen aus der Umgebung kamen zur ersten Veranstaltung, inzwischen zählen zur Stuttgarter Community knapp 700 Frauen.

Über regelmäßige Veranstaltungen schaffen die Frauen Möglichkeiten, sich zu treffen und auszutauschen. Die Themen legen sie selbst fest. Bei einem Stuttgarter Treffen geht es etwa um die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen. Alles wird ehrenamtlich auf die Beine gestellt. Ein kleines Team aus aktiven Organisationsmitgliedern pflegt die Homepage, schreibt einen Newsletter, betreibt einen Blog und kümmert sich um die Facebook-Gruppe. Einmal im Jahr kommen die Digital Media Women bundesweit zusammen. „Ich finde die Treffen superspannend“, sagt Djidjeh, „der Austausch gibt mir Energie.“

Kleine Etappenziele und große Träume

Nicht immer funktioniert das Engagement reibungslos, räumt sie ein: „Netzwerk muss man aushalten können – andere Ansichten und andere Lebenswirklichkeiten.“ Das zwinge aber auch, die eigene Filterblase zu verlassen. Da scheint wieder ihr Optimismus durch.

Netzwerk bedeutet für die gebürtige Regensburgerin, die in Herzogenaurach aufgewachsen ist und zum Studium nach Stuttgart kam, in der Gruppe Ziele zu erreichen – kleine Etappenziele oder große Träume. Männer in ihrem Umfeld, sagt Djidjeh, seien weniger in Netzwerken organisiert. „Sie machen vieles intuitiv wie das Feierabendbierchen mit Kollegen oder das Mittagessen, das für den beruflichen Austausch genutzt wird.“ Frauen suchten eher Netzwerke außerhalb der Firmenumgebung.

Vielfalt ist ein Gewinn für die Wirtschaft, ist Djidjeh überzeugt. Auch deshalb arbeitet sie im Projektteam der 30-mit-30-Kampagne mit: Die Digital Media Women suchen 30 Unternehmen, die mindestens 30 Prozent Frauen in ihren ersten drei Führungsebenen aufweisen können. „Erst ab 30 Prozent Frauenanteil in der Führung findet ein Kulturwandel im Unternehmen statt“, begründet Djidjeh die Quote. Ohne Quote, fürchtet sie, werde sich nie etwas ändern. „Ein Unternehmen könnte ja derzeit auch ohne Frauen in Führungsetagen funktionieren“, sagt sie, „und nur, weil es fair ist, wenn auch Frauen an der Führung teilhaben, ändern sich die Verhältnisse noch lange nicht automatisch.“

Ziel ist, andere Firmen zu inspirieren

Die im Netzwerk aktiven Frauen wollen nicht beklagen, dass es so wenig Frauen in Führungspositionen gibt, „sondern wir wollen die Unternehmen zeigen, die es gut machen“, betont Djidjeh. Neun Unternehmen sind bisher gefunden, und die 36-Jährige hofft, dass sich weitere melden. Für die Vorzeigefirmen starten die Digital Media Women auf diversen Digitalkanälen eine Imagekampagne. „Unser Ziel ist“, so die Netzwerkerin, „andere Unternehmen zu inspirieren.“

Das kleine Café in der Neckarstraße ist der Lieblingsort von Djidjeh. Nur ein paar Schritte weiter ist die Firma, die sie mitgegründet hat: Green Boxx, ein Studio für Animationsfilme und visuelle Effekte, wie sie etwa in der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden. „Immer wenn wir unseren Gedankenhorizont erweitern wollen, kommen wir hierher“, sagt sie.

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