Im Jahr 2014 sind Kommunal- und Kreistagswahlen. In Baden-Württemberg ist der Anteil der Frauen in den Gremium niedrig. Was motiviert die Frauen, die es gewagt haben. Eine StZ-Serie zur bevorstehenden Kommunalwahl. Heute: Elfriede Steinwand

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Eine Vorstellung vom „Leben ohne“ hat Elfriede Steinwand schon. Jede Menge Theater, Kinobesuche und Sportstunden würden darin vorkommen. Dass sie dennoch auch für die 2014 anstehende Gemeinderatswahl – wenn der Grünen-Ortsverein sie auf die Liste setzt – kandidieren möchte, muss also gute Gründe haben. Was treibt die Frau aus Niederbayern an, sich noch ein drittes Mal für eines der zeitaufwendigsten Ehrenämter zu bewerben, die das Leben zu bieten hat?

 

Ein politischer Mensch zu sein, reicht mit Sicherheit nicht allein dafür aus, auch die brennende Lust zu verspüren, sich in Haushaltspläne oder Bauverordnungen einarbeiten zu wollen. Denn die kommunalpolitische Materie ist komplex. Die 56-Jährige, die seit 2001 Schulsozialarbeiterin an den Bietigheimer Ellentalgymnasien ist, hat damit eigentlich schon einen ausfüllenden Fulltimejob. Ihr Arbeitgeber, die Stadt Bietigheim-Bissingen, legt ihr zwar keine Steine in den Weg. Aber es gibt keine Freistellung von der 38-Stunden-Aufgabe, auch wenn manche das vermuten.

In den Vereinen lernte sie die Menschen kennen und umgekehrt

Aber Ludwigsburg liegt ihr eben am Herzen. Mit 20 kam Steinwand in die Stadt, „weil ich hier Leute kannte“. Da gab es in der Stadt noch amerikanische Kasernen, die No-Go-Areas waren. Ludwigsburg hatte eine völlige andere Anmutung als heute. Steinwand engagierte sich im Sportverein MTV, gab Kurse in Judo und Yoga, und war überhaupt dort dabei, wo Menschen zusammenkamen – und sagte dann auch schon ihre Meinung, wenn ihr etwas nicht passte. So lernte sie Menschen kennen und die Menschen sie. Ein Potenzial, auf das sie als Gemeinderätin ganz selbstverständlich zurückgreifen kann.

Aber warum der Sprung in die Kommunalpolitik? Als Wählerin hat die heutige Gemeinderätin ihre Stimmen immer auf die Frauen verteilt – quer durch die Parteien. Das war ihr eine Selbstverständlichkeit. Und irgendwann gab es kein Zurück mehr, „weil ich abenteuerlustig bin“. Sie hatte Lust auf diese neue Herausforderung und wollte einfach wissen, „ob ich das wuppe“, sagt Steinwand. Ihr ist es nicht egal, wie sich die alternde Gesellschaft in ihrer Stadt aufstellt, und wie die energetische Zukunft der Stadt aussieht. Im Erzählen folgt auf das eine Thema gleich das nächste. Bei allem Ernst, den Elfriede Steinwand dabei an den Tag legt, kann sich im nächsten Moment aber auch schon wieder ein Lachen auf ihrem Gesicht ausbreiten. Die Beteiligung an den politischen Entscheidungen in ihrer Heimatstadt ist offensichtlich nicht nur Verpflichtung. Sie macht auch Spaß.

Lernen für den Gemeinderat in der Diaspora?

Es müssen lebhafte Runden gewesen sein, wenn sich die Großfamilie – Elfriede Steinwand ist die älteste von sechs Geschwistern – zum Essen an den Tisch gesetzt hat. „Ich hatte ein kritisches Elternhaus,“ sagt sie rückblickend. Kein politisches, aber eines, das sie gelehrt hat, die Dinge zu hinterfragen. Dass sie als evangelisches Kind in der katholischen Diaspora aufgewachsen ist, hat vielleicht auch mit dazu beigetragen, sich später behaupten zu können. Obwohl sie nichts auf die Nonnenschule kommen lässt, in die sie zwei Jahre lang ging. „Das waren tolle Frauen,“ sagt die Ludwigsburgerin. Dennoch war das Leben als Einzelkämpferin sicher keine schlechte Voraussetzung, um die Diskussionen im Gemeinderat auszuhalten.

Das politische Initialerlebnis für die studierte Fachfrau für Soziales war jedoch kein kommunales. Elfriede Steinwand hatte zwei kleine Kinder, als am 26. April 1986 die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl geschah. Dieser Tag hob die Welt nicht nur für sie aus den Angeln. Plötzlich stellten sich grundsätzliche Fragen, nach der Ernährung der Kinder und dem Überleben überhaupt. Eine Protestbewegung, und aus ihr die Partei der Grünen, entstand.

Für Steinwand war 2004 die Zeit gekommen zu kandidieren

Es mussten allerdings noch fast zwei Jahrzehnte ins Land gehen, bis Steinwand dann auch zur Kommunalpolitikerin wurde. Die damalige grüne Gemeinderätin Roswitha Matschiner fragte sie vor der Kommunalwahl 2004, ob sie sich vorstellen könnte, für die Grünen zu kandidieren. Elfriede Steinwand konnte. Sie fand, es sei an der Zeit, und sie hatte auch Lust dazu. Sie stand ganz oben auf der Liste der Grünen – und hatte keine Angst vor einer Niederlage. Sie wurde getragen von der Denke ihrer Partei, in die sie dann eintrat, Frauen gezielt zu fördern und immer abwechselnd eine Frau und einen Mann auf ihre Listen zu setzen. Das schafft Selbstvertrauen und ermutigt Frauen. Das sind gute strukturelle Startbedingungen.

Und wenn es dann noch jemanden gibt, mit dem man sich ganz im Vertrauen beraten kann, tut das der Seele sicher auch gut. In Elfriede Steinwands Fall war das ihr späterer Ehemann Ulrich Hebenstreit. Er saß von 1998 bis 2000 für die SPD im Gemeinderat und kannte den Laden von innen.