Immer wieder kommt es in Flüchtlingsunterkünften zu Übergriffen auf Frauen und Kinder – durch Fremde, aber auch Familienangehörige.

Stuttgart - Minderjährige, allein reisende Frauen und Mütter sollen in Flüchtlingsunterkünften besonders geschützt werden – unter anderem durch Einzelzimmer, Wohnungen oder abgetrennte Gebäude. Dennoch kommt es immer wieder zu Übergriffen. Bei der Polizei im Südwesten wurden 2015 insgesamt 105 sogenannte Rohheitsdelikte gegen Frauen und 77 gegen Kinder und Jugendliche in Asylunterkünften angezeigt – dazu zählen Körperverletzung und Raub. Wegen Bedrohungen wandten sich elf Frauen und neun Kinder und Jugendliche an die Polizei. Das hat das Innenministerium auf eine Anfrage der SPD-Fraktion mitgeteilt.

 

Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich größer sein. Zwar werden der Aufnahmeverwaltung laut Ministerium Einzelfälle von sexueller Belästigung oder auch häuslicher Gewalt bekannt. Allerdings werden die Delikte weder in den Erstaufnahmeeinrichtungen noch in den Anschlussunterkünften in den Kommunen erfasst.

Zu wenige Schutzräume

Dass es mehr als Einzelfälle sind, bekommen unter anderem die Frauenhäuser zu spüren. Mitarbeiterinnen in Asylunterkünften fragten vermehrt nach einer sicheren Bleibe für Frauen und Kinder, sagt Sylvia Haller, Sprecherin der Autonomen Frauenhäuser im Land. Allein in Heidelberg wurden im vergangenen Jahr 50 Frauen und 58 Kinder aufgenommen, die vor gewalttätigen Ehemännern oder Eltern aus Flüchtlingsunterkünften geflüchtet waren. Weitere 135 Frauen und 155 Kinder mussten abgewiesen werden, weil keine freien Plätze zur Verfügung standen.

In den anderen 40 Frauenhäusern im Südwesten sieht es nicht viel besser aus. Überraschend ist das nicht: Schon bevor die ersten Flüchtlinge kamen, reichten die rund 700 Plätze nicht immer für alle Schutzsuchenden aus. Dabei verlassen sich die Behörden im Notfall auf die Frauenhäuser.

Auch bei Yasemin, der Stuttgarter Beratungsstelle für junge Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind, klopfen vereinzelt Flüchtlinge an. Etwa eine junge Frau, die von einem angeblichen Onkel aufgenommen wurde, der sie dann einem Fremden zur Frau geben wollte. Die Zahl werde in den kommenden Jahren steigen, befürchtet Sozialarbeiterin Aysha Kartal. Die Beratung müsse ausgeweitet werden.

Unterkünfte nur für Frauen

Das fordert auch die Sozialpolitikerin Sabine Wölfle (SPD). In den Erstaufnahmeeinrichtungen seien die Frauen und Kinder durch Polizei und Sozialarbeiter relativ geschützt, wenn sie auf die Kreise verteilt würden, sei dies nicht immer der Fall. Nötig seien auch mehr Unterkünfte, die ausschließlich Frauen vorbehalten seien, sagt Sabine Brommer vom Kriseninterventionsteam des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Baden-Württemberg. Sie seien wichtig, damit sich Alleinreisende und Frauen mit Gewalterfahrungen wieder sicher fühlen können.

Wölfle appelliert an die Kommunen, die Probleme im Blick zu haben und die Frauen dabei zu unterstützen, selbstständig zu werden: etwa, indem sie Deutsch lernen, einen Schulabschluss machen und eine Ausbildung absolvieren. „Dass Frauen ihr Leben selbst in die Hand nehmen, ist die Voraussetzung für Integration.“