Warum bei den deutschen Frauen bei der WM die Hoffnungen vor allem auf Kapitänin Alexandra Popp ruhen und was hinter der „neuen Popp-Kultur“ (DFB-Journal) steckt.

Pont-Péan - „Leaderin“ steht in goldener Schreibschrift auf dem Teamposter unter Alexandra Popp. Dutzendfach sind die DIN-A4-Blätter bei der öffentlichen Trainingseinheit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft an französische Schulkinder aus der Grundschule Lucie Aubrac im 4400-Einwohner-Ort Pont-Péan gegangen. Natürlich hat auch die Kapitänin nicht gefehlt, als sich die deutschen Fußballerinnen nach anderthalb anstrengenden Trainingsstunden noch mit einem Stift in der Hand auf die andere Platzseite begaben, um ihre Unterschriften zu hinterlassen. Das hat am Ende sehr entspannt ausgesehen, und die Anführerin bestätigte am Mittwoch den äußeren Eindruck: „Wir haben alle ein gutes Gefühl. Das macht alles lockerer.“ Vor dem WM-Auftakt der DFB-Frauen gegen China am Samstag (15 Uhr/live in der ARD) in Rennes komme das „Kribbeln wahrscheinlich am Freitagabend, wenn man ins Bett geht“.

 

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Die 28-Jährige vom VfL Wolfsburg ist neben ihren Vereinskolleginnen Almuth Schult und Lena Goeßling die Einzige, die sowohl die WM 2015 als auch 2011 gespielt hat. Beim Heimturnier brach das Team bekanntlich unter der Last der Erwartungen förmlich zusammen. In Frankreich ist der Weltranglisten-Zweite Deutschland nur einer von vielen Favoriten. „Es ist absolut kein großer Druck. Wir können ruhig Fußball spielen, und uns wird nicht gesagt, dass wir mit dem Titel wiederkommen müssen. Wir können mit erhobener Brust rausgehen.“ Auch wenn das ein bisschen schräg formuliert klang, war unschwer herauszuhören: Das gefällt allen so gut wie den betuchten Gästen im bretonischen Teamhotel die gepflegten Grüns der Golfplätze.

„Mein Torriecher wird wieder besser“

So mühselig in Bruz einheimische Anfänger das Einlochen üben, kämpft das deutsche Team selbst im Trainingsspielchen noch mit erkennbaren Abschlussschwächen. Die in 96 Länderspielen bisher 46-mal erfolgreiche Stürmerin will jedoch gemerkt haben, „dass mein Torriecher wieder besser wird, wenn ich mir die Bälle schnappe“. Bei ihr hätten „Automatismen und Abgezocktheit“ gefehlt. Kein Wunder: Beim Doublesieger Wolfsburg besetzten in der Regel Pernille Harder, Caroline Hansen und Ewa Pajor die Offensive, so dass das deutsche Offensiv-Ass mit ihrem „Herzblut“ (O-Ton Popp) häufig ins defensive Mittelfeld ausweichen musste.

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Eine Variante, die ihre dortige Wegbegleiterin Britta Carlson, früher Co-Trainerin beim VfL, heute Assistenztrainerin des DFB-Teams, für die WM nur für Notfälle vorgesehen hat. „Wir sehen Alex mit ihrer Präsenz in der Box. Sie soll die Gegenspieler binden.“ Auch die Nummer elf agiert nach eigener Einschätzung am liebsten „vorne drin“; sie glaube, dass sie in der Sturmspitze „meine besten Fähigkeiten und Stärken“ habe. Nicht zuletzt kennt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ihre Qualitäten noch aus der gemeinsamen Zeit beim FCR 2001 Duisburg. Und aufgrund von Popps Persönlichkeitsentwicklung schien es fast logisch, ihr die Binde zu geben. „Sie hat eine enorme persönlichen Entwicklung genommen. Sie sagt klar ihre Meinung und hat sich den Stand in der Mannschaft erarbeitet“, lobte Carlson. Geradeaus wie auf dem Platz.

Die „Tour de France 2019“

Dass aus der durchsetzungs- und kopfballstarken Popp keine ganz filigrane Fußballerin mehr wird, steht außer Frage. Aber wie sehr ihre Wucht und Willensstärke gebraucht werden, zeigte sich bei der EM 2017: Nachdem die unerschrockene Kämpferin wegen einer Knöchelverletzung bereits die EM 2013 in Schweden absagen musste, verpasste sie auch vier Jahre später das Turnier in den Niederlanden nach einem Meniskusriss. Ohne das einst an der Gesamtschule Berger Feld unter Schalker Obhut ausgebildete Zugpferd war im Viertelfinale Schluss.

Für die „Tour de France 2019“ soll Deutschlands Fußballerin des Jahres 2014 und 2016 vorangehen, das Verbandsjournal des Deutschen Fußball-Bunds hat sogar eine „neue Popp-Kultur“ ausgerufen. Dabei stimmt es gar nicht, dass die neue Führungskraft einen anderen Umgangston eingeführt hat. „Ich habe mich gar nicht groß verändert.“ Vielleicht hilft jetzt noch eine Erinnerung aus der ehemaligen Jugendzeit: Bei der U-20-WM schoss eine überragende Alexandra Popp den deutschen Nachwuchs fast im Alleingang zum Titel.

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