Neun Spielerinnen im aktuellen WM-Kader der DFB-Frauen haben eine Freiburger Vergangenheit. Manche trauern der Atmosphäre im Breisgau noch heute nach.

Grenoble - Um die sommerliche Wetterlage in Grenoble zu beschreiben, verwenden seine Bewohner meist einen Begriff: „cuvette“. Französisch für Schüssel. Tatsächlich ähnelt die Stadt in der Region Rhône-Alpes dieser Tage einem Brutkessel, in dem kaum ein Luftaustausch zustande kommt. Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft trainierte zwar auf den Sportkomplex Paul Bourgeat im 6000-Einwohner-Örtchen Gières vor imposantem Bergpanorama, aber eben auch bei drückender Schwüle. Direkt am Platzrand fand die erste Pressekonferenz vor dem Achtelfinale am Samstag (17.30 Uhr/ ZDF) in Grenoble statt. Mit Lina Magull und Carolin Simon erschienen zwei, die von „einer sehr schönen Kulisse bei der Busfahrt“ (Magull) und einem Quartier in der Kurstadt Uriage-les-Bains erzählten, „in dem sich keiner nach mehr Trubel sehnt“ (Simon).

 

Stammspielerinnen gibt es nicht

Die Mittelfeldspielerin vom FC Bayern München und die Linksverteidigerin von Olympique Lyon gehören zur Schar derjenigen, von denen niemand so genau weiß, ob sie nun Stammkräfte oder Reservisten sind. Die Grenzen hat Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg noch fließender gehalten als angekündigt. Bis auf Leonie Maier, Johanna Elsig und Turid Knaak sind alle Feldspielerinnen in der Vorrunde zum Einsatz gekommen. Dass das Team auch aufgrund fehlender Automatismen (und dem Ausfall von Dzsenifer Marozsan) noch nicht am Limit agiert hat, ist offensichtlich.

„Mit dem spielerischen Punkt sind wir nicht zufrieden“, sagte Simon, die bestätigte, dass Weltmeister USA oder Gastgeber Frankreich aus ihrer Sicht eher überzeugt hätten. Aber: „Wir sind alle nicht undankbar, wenn wir die Favoritenrolle weggeben. Trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass wir hinterherhängen. Wenn wir dann auf einen solchen Gegner stoßen sollten, müssen wir ein, zwei Schippen drauflegen.“ Daher ist es erst einmal beruhigend zu wissen: Beiden Teams kann Deutschland übrigens frühestens im Finale begegnen.

Steigerungspotenzial in der ganzen Mannschaft

Steigerungsbedarf ist – mit Ausnahme von Almuth Schult – bei jeder einzelnen Feldspielerin auszumachen. Offenkundig, dass auf vielen ein besonderer Druck lastet, wenn statt 500 auf einmal 15 000 Menschen im Stadion und dazu noch sechs Millionen am Fernseher zuschauen. Die 24-jährige Magull und 26-jährige Simon haben einst beim SC Freiburg einen ganz anderen Alltag erlebt: sich dort entspannt entfalten zu können, macht die aktuellen Zimmerpartnerinnen fast ein bisschen wehmütig. „Wir haben beide vom Trainer (Jens Scheuer, Anm. der Redaktion) viel mitgenommen, aber man hatte nicht so viel Druck wie beim FC Bayern oder VfL Wolfsburg. Es hat uns jedes Mal gefreut, wenn wir den Favoriten ärgern konnten“, erklärte Magull. Und Simon ergänzte: „Keine Druck zu haben – was wir jetzt gerade erleben – , war sehr angenehm in Freiburg. Es waren vielleicht nicht immer die professionellsten Bedingungen, was die Trainingsplätze oder Vertragsmodelle anging, aber der Spaß am Fußball stand im Vordergrund. Das nimmt extrem viel Druck.“

Neun Spielerinnen mit Freiburg-Vergangenheit

Insgesamt neun Spielerinnen haben diese Wohlfühloase im Breisgau, in einer der sonnenreichsten Regionen Deutschlands in ihrer Vita stehen. Aktuelle Stützen wie die zweimal zur „Spielerin des Spiels“ gewählte Sara Däbritz, Melanie Leupolz oder Verena Schweers. Dazu Toptalente wie Klara Bühl oder Giulia Gwinn, die sich beim Pokalfinalisten so in den Vordergrund spielen konnten, dass Voss-Tecklenburg nicht als Touristen mitgenommen hat, sondern ihnen regelmäßig vertraut. Die 18-jährige Bühl erfuhr vor der Südafrika-Partie in der Mannschaftssitzung, dass sie gegen Südafrika beginnen durfte. „Ich habe das genossen, bei der Hymne auf dem Platz zu stehen und mitzusingen.“ Allerdings setzte sie dann auf dem Platz kaum Akzente. Allerdings steht sie erst am Anfang ihrer Karriere – die nächsten Schritte können noch folgen.

Talentschmiede im Schwarzwald

Nur Merle Frohms und die nächste Saison vom FC Bayern zum FC Arsenal wechselnde Leonie Maier sind aus der Freiburger Schule noch ohne Einsatz. Der Schwarzwald spielt als Kraftquelle für die DFB-Frauen seit Jahren eine wichtige Rolle. „Der SCF ist eine richtige Talentschmiede“, sagte die DFB-Direktorin Heike Ullrich bereits zur Frauen-EM 2017, als fünf Spielerinnen aus Freiburg kamen. Diesmal sind es zwar nur drei, von denen die freche Flügelflitzerin Gwinn nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht hat. „Freiburg ist ein super Ausbildungsverein. Ich habe mich vier Jahre extrem gut entwickelt“, sagt die 19-Jährige, die nächste Saison ebenfalls nach München wechselt. Die WM beschert ihr eine Popularität, die sie sich nie hätte vorstellen können.

Allein in den letzten drei Tagen sind wieder 15 000 neue Follower bei Instagram hinzugekommen. Die laut Kapitänin Alexandra Popp „Hübscheste“ der Mannschaft steuert zielsicher auf die 100 000-Marke zu. Wirkt fast so extrem wie die Hitze in Grenoble.