Der Überschuss an Männern weckt schlimme Prognosen im asiatischen Raum. Vor allem in China herrscht immenser Frauenmangel.

Hanoi - Bevölkerungswissenschaftler befürchten, dass es in Asien bald zugehen wird wie im Wilden Westen. Der Grund: chronischer Frauenmangel. Der führe dazu, dass die Mordrate stark zunehme, heißt es. Bei einer Konferenz der Vereinten Nationen in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi wurde deutlich, dass es sich bei solchen Szenarien keineswegs um wilde Schwarzmalerei handelt. Schon jetzt fehlen mindestens 117 Millionen Frauen in Asien.

 

Damit hat sich die Zahl der "fehlenden Frauen" seit 1950 nahezu verdoppelt. Spitzenreiter ist China, wo 118 männliche Babys auf 100 weibliche kommen, gefolgt von Aserbaidschan mit einer Rate von 117 zu 100, Vietnam mit 112 und Indien mit rund 111. Am schlimmsten ist der Frauenmangel in ärmeren Bevölkerungsschichten. Experten machen die zunehmenden Ultraschalluntersuchungen dafür verantwortlich, die das Geschlecht des Kindes früh erkennen lassen. Auch "postnatale Diskriminierung" - ablesbar an der hohen Todeszahl weiblicher Säuglinge und junger Mädchen - ist ein Problem.

Vorliebe für Söhne

Guilmoto Nguyen Van Tan, Vietnams stellvertretender Direktor des Büros für Bevölkerungs- und Familienplanung, begründet das mit der historisch gewachsenen Vorliebe für Söhne in seiner Heimat und warnt: "Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden wir bald erhebliche soziale Probleme haben." Denn Millionen von Männern drohe ein Junggesellendasein. Und das in Gesellschaften, in denen die Heirat als Pflicht betrachtet wird.

Die Entwicklung ist umso erstaunlicher, als sich die Rolle der Frau in Asien dramatisch verändert. An Thailands Universitäten sind rund drei Viertel der Studierenden junge Frauen, sie stellen 90 Prozent der Absolventen mit guten oder hervorragenden Noten. Viele asiatische Männer ziehen längst die Konsequenzen und buchen über spezielle Agenturen Reisen nach Vietnam, um dort die Frau fürs Leben zu finden.

Nur in Südkorea ist das Verhältnis normal

Nur ein Land hat sich dem Trend zum Männerüberschuss entgegengestemmt: Südkorea, das in den 70er Jahren mit einer Abtreibungsrate von 2,75 auf 100 Geburten einen Weltrekord aufstellte, hat die Kehrtwende vollzogen und heute ein normales Verhältnis von männlichen und weiblichen Neugeborenen. Doch damit ist es in Asien bis jetzt allein.