Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung hat einen Forschungsneubau auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen eröffnet. Darin entwickeln Wissenschaftler Leichtbaulösungen für die Produktion in regionalen Unternehmen.

Die Fassade täuscht. Denn die Außenhülle des Zentrums für Leichtbautechnologien auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen ist tonnenschwer und zu 100 Prozent aus Glaskeramik. Und doch passt die Fassade zur Tätigkeit der Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Denn sie besteht aus Abfall, ist recycelbar und somit nachhaltig: Es ist Ausschuss aus der Solarzellenproduktion. Am Donnerstag ist das Gebäude als erster Neubau des Stuttgarter Technologie- und Innovationscampus S-TEC auf dem Birkhof-Areal an der Nobelstraße eröffnet worden.

 

„Damit beseitigen wir an unserem Institut einen Engpass“, erklärte IPA-Chef Thomas Bauernhansl. „Wir platzen aus allen Nähten.“ Denn seit 2018 forschten interdisziplinäre Teams in mehreren S-TEC-Zentren an Leichtbautechnologien. „Sie sind der Schlüssel, um den Energie- und Werkstoffverbrauch in der Produktion zu reduzieren“, so Bauernhansl. Ziel sei es, deutsche und insbesondere regionale Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung von Leichtbaulösungen in deren Produkten, Produktion und Produktionssystemen zu unterstützen.

Wirtschaftsnahe Forschung und Technologietransfer

Auch Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) zeigte sich erfreut über den Neubau, in dem wirtschaftsnahe Forschung und Technologietransfer rund um die personalisierte, digitale und nachhaltige Transformation der Industrie umgesetzt würden. Durch Leichtbautechnologien könnten Arbeitsplätze gesichert und ausgebaut werden, ohne Kompromisse beim Klimaschutz.

Konkret geht es in dem neuen Zentrum um drei Schwerpunkte, wie dessen Leiter Marco Schneider erläuterte: erstens um die Frage, wie, also mit welchem Material, welchen Maschinen, welcher Drehzahl man diese speziellen Verbundmaterialien bearbeiten kann. Zweitens: „Wie bekommen wir diese Werkstoffe in die Produktion? Denn jedes Kilo weniger muss man nicht herstellen, nicht transportieren, nicht recyceln und braucht weniger Energie.“ Und drittens werde erforscht, wie man solche Werkstoffe verbinden, aber auch wieder auseinander bekommen kann. Und zwar vollautomatisiert.

Wie lässt sich eine Autobatterie vollautomatisch demontieren?

Konkret befasst sich etwa eine Forschergruppe damit, wie man die Batterie eines Hybrid-Daimlers vollautomatisch demontieren kann. „Hier gibt’s einige Prozesse, die nicht gerade demontagefreundlich sind“, meint Thomas Götz, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, beim Blick auf die Batterie. Immerhin, Schrauben und Stecker seien lösbar. Aber jede Batterie sehe anders aus, man müsse schauen, welche Komponenten noch verwendet und welche recycelt werden.

Und genau um solche Prozesse erforschen zu können, wurde der Neubau ausgestaltet: mit einer großen, flexibel nutzbaren Werkhalle als Kern, daneben Labors, in denen die Wissenschaftler Themen wie Zerspanung, Absaugung, Leichtbauwerkstoffe und ihre Bearbeitung erforschen. Darüber zwei Stockwerke mit Büros, Besprechungs- und Seminarräumen sowie zwei Dachterrassen. Denn Wissenschaftler sollen sich auch austauschen. Insgesamt 113 Arbeitsplätze bietet der Neubau sowie Raum für 40 Studierende.

Baukosten 23,6 Millionen Euro

23,6 Millionen Euro hat der von Gewers & Pudewill Architekten aus Berlin entworfene und in drei Jahren Bauzeit entstandene Neubau gekostet, davon kommen 10,7 Millionen Euro vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und je 6,45 Millionen Euro von Land und Bund. Den Architekten ist ein Bau gelungen, der trotz seines wuchtigen Corpus auf 55 mal 37 Metern ausgesprochen harmonisch und ausbalanciert wirkt und mit seinen gerundeten Ecken und den langen Fensterbändern von innen fast anmutig.

Ein weiterer IPA-Neubau entsteht gerade nebenan und soll 2024 bezogen werden, ein dritter 2026. Dabei geht es um Massenpersonalisierung und smarte Materialien.