Man sollte diesen Comic aber nicht als bloße ätzende Provokation abtun, als virtuos inszenierte Verletzung religiöser Gefühle. In der Entweihung der Himmlischen kann man die Sehnsucht lesen, dem Jenseitigen tatsächlich begegnen zu können. Winshluss macht sich weniger über das Unvorstellbare von Glaubensinhalten lustig, als dass er frech nach einem Weg sucht, sie doch vorstellbar zu halten. Wäre es nicht nett, Gott wäre ansprechbar, als Latzhosenträger von nebenan? Die wahre Wut von Winshluss gilt menschlicher Heuchelei und Bosheit im Namen des Glaubens. Er karikiert den Papstkult und streut giftige Verweise auf Kindesmissbrauch im Schutz der Kirche ein.

 

Werbung für Christen mit Gemüse

Auch wenn „In God we trust“, dessen blauer Kunstledereinband an die Gratis-Bibeln in amerikanischen Motelzimmern erinnert, erzählerisch aus einem Guss ist, herrscht auf den Seiten große Vielfalt. Je nach Sujet wechselt Winshluss wie schon in seiner großartigen“Pinocchio“-Adaption den Zeichenstil. Die unbefleckte Empfängnis wird mit Schnulzenbildern des Romance-Comic erzählt, die Frage nach der wahren Macht Gottes wird zum Superhelden-Comic. Dazwischen schiebt er Werbeseiten ein, zum Beispiel die mit dem Löwen, der eine Konservendose empfiehlt: „Christen mit Gemüse – Katakombenzüchtung“.

Freier Geist gegen mordende Fanatiker

Winshluss, mit bürgerlichem Namen Vincent Paronnaud, ist ein Meister des Makabren, aber nicht aufs rein Böse abonniert. Als Zeichner und Ko-Regisseur war der 1970 in La Rochelle Geborene an Marjane Satrapis Adaptionen ihrer eigenen Graphic Novels „Persepolis“ und „Huhn mit Pflaumen“ beteiligt. „In God we trust“ ist fraglos ein Angriff auf religiöse Fundamentalisten aller Bekenntnisse, auf Vernunftverweigerer, die religiöse Schriften als Gottes autoritäres Wort verstehen wollen statt als menschliche Annäherung an das Rätsel der Schöpfung. Aber dieser Comic ist auch ein mutiges Bekenntnis des freien Geistes in einer Zeit, in der Fanatiker für ihre Glaubensauslegung wieder zu morden bereit sind. Wer in diesen schwarzhumorigen Bildern Gotteslästerung sieht, sollte um Erleuchtung beten. Hier wird Gott kumpelhaft dorthin gerückt, wo ihn die schlimmsten seiner Anhänger nicht mehr erreichen können.

Winshluss: In God we trust. Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock. Avant Verlag, Berlin. 104 Seiten, 29,95 Euro.