Schon oft hat man das Kino totgesagt. Fredrik Andersson glaubt an die Zukunft dieses magischen Ortes. Der Musicalsänger, der 2010 nach Stuttgart kam, hat aus Liebe zum Film das Corso in Vaihingen, ein etwas anderes Kino, gekauft.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Niemals bleiben Vampire für immer im Sarg. In Stuttgart weiß man dies nur zu gut. Im April wird das Polanski-Musical im SI-Centrum seine vierte Saison starten.

 

Vor zehn Jahren ist der Schwede Fredrik Andersson zur zweiten Spielzeit des Grusicals nach Stuttgart gezogen. Sein Kollege und heutiger Ehemann Johan Vandamme – sie hatten zusammen die Hamburger Joop-van-den-Ende-Musicalschule besucht – gehörte zum „Tanz der Vampire“-Ensemble von 2010. Jetzt ist Andersson, der unter anderem bei „Rebecca“ auf der Bühne stand, Kinochef im Stuttgarter Stadtteil Vaihingen geworden. Ist es bei den Blutsaugern wie bei Lichtspielhäusern? Die einen wie die anderen werden, wenn man sie schon für tot hält, plötzlich lebendig – und entfalten verführerisch ihre Magie.

Das Corso ist eines der letzten Vorstadtkinos

Wer ins Kino geht, kann träumen, staunen, weinen, happy sein. Der Erlebnisort im Dunkeln, mit einem Eimer Popcorn vor der Leinwand und einem Supersound, schwärmt Andersson mit leuchtenden Augen, zieht einen in einen Film viel intensiver rein als jeder Bildschirm daheim.

Musical oder Kino? Andersson, der Musicalrollen etwa in „Elisabeth“, „Kiss me, Kate“ oder „Sunset Boulevard“ spielte, hat sich mit 35 Jahren fürs Kino entschieden.

Gerade hat er von der Stage-Entertainment das Angebot erhalten, Trainer für die Kinderdarsteller des Musicals „Tina“ in Stuttgart zu werden, auch bei „Bodyguard“ und „Anastasia“ war er dies schon. Nicht leicht fiel es ihm, abzusagen. Die Aussicht, sein geliebtes Corso zu leiten, fand er reizvoller. Das Corso Cinema mit zwei Sälen ist eines der letzten Vorstadtkinos, die überlebt haben. Der langjährige Besitzer Andreas Fuhrmann hatte mit Erfolg seine Nische gefunden. Von 2009 an zeigte er ausschließlich Filme im englischsprachigen Original, was bei Amerikanern und internationalen Stuttgartern ebenso gut ankommt wie bei Deutschen, die unsynchronisierte Filme sehen oder ihre Sprachkenntnisse schulen wollen.

Für einen Großteil der Einnahmen sorgen Popcorn und Budweiser

Im vergangenen Jahr wollte Fuhrmann sein Herzensprojekt an jemanden übergeben, der fürs Kino so brennt wie er. Seit 2010 hatte Filmfan Andersson, der auch Fußballfan ist, wie ein Foto im Archiv unserer Zeitung zeigt, zwischen seinen Musical-Engagements immer wieder als Aushilfe im Corso mitgearbeitet. Fuhrmann fand, der Schwede sei die perfekte Wahl für sein Kellerkino mit ganz besonderem Charme.

„Als ich nach Deutschland kam“, sagt Andersson, „war es für mich wichtig, Filme ohne deutsche Synchronisation zu sehen.“

Ins Corso kommen viele aus dem Ausland zugezogene Neustuttgarter, denen es genauso geht. An spielfreien Tagen im SI-Centrum sind oft Musicalsänger zu Gast. Weiterhin will der 35-Jährige englischsprachige Filme zeigen, aber auch Events veranstalten, die Säle für Feste aller Art vermieten, ein Kinoprogramm für Kinder anbieten sowie „ein bisschen Glamour aus der Kinowelt“ ins echte Leben holen. Dass es dabei um mehr geht als nur um Filme, weiß der neue Chef freilich. Für einen Großteil der Einnahmen sorgen Popcorn und Budweiser.

Sein Ehemann Johan spielt momentan bei „Cats“ in Wien

Wird Fredrik Andersson nicht die Bühne und das Musical vermissen? „Acht Vorstellungen in der Woche sind hart“, antwortet er. Nach Theaterschließungen wie in Oberhausen hat sich die Lage verschlechtert: Es gibt immer mehr weniger Arbeitsmöglichkeiten für Künstler. Und dafür müssen sie sich in Auditions gegen andere durchsetzen und oft den Wohnort wechseln Sein Mann Johan, mit dem er dieser Tage in eine Wohnung im Fasanenhof umgezogen ist, singt momentan bei „Cats“ in Wien. Als Besitzer eines Kinos wird man sesshaft.

Verbindungen zum alten Beruf bleiben: Gerade wird im Corso „Frozen“ gespielt – das Musical mit diesem Titel feiert im März 2021 deutsche Premiere in Hamburg.

„Im Kino gewesen. Geweint“, so lautet eine der besten Filmkritiken – 1913 von Kafka geschrieben. Damit ist alles über die Magie des Kinos gesagt. Das Kino bietet eine prickelnde Mischung aus anonymer Intimität und kollektiver Verbundenheit. Das Kino erlöst einen vom Ärger des Alltags und kann den Blick auf die Welt verändern.