Seine Musik musste man aushalten wollen. Sie konnte beängstigen wie ein schweres Sommergewitter – und ließ einen beglückt und verwandelt zurück. Zum Tod des einzigartigen Jazzpianisten Cecil Taylor.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

Stuttgart - Es wäre nicht die schlaueste Idee, bei der nächsten WG-Party zur Lockerung der Stimmung eine Cecil-Taylor-Platte aufzulegen. Die Musik des am 5. April in New York gestorbenen Pianisten würden die Meisten wohl als reine Zumutung empfinden, wenn nicht sogar als Lärmbelästigung. Wollte man in einem Satz sagen, was Cecil Taylor sein ganzes Leben lang in bemerkenswerter künstlerischer Konsequenz gemacht hat, könnte er lauten: das Gegenteil von Easy Listening.

 

Das Piano als Schlagzeug mit 88 Tasten

Taylor war einer der bedeutendsten Avangardisten des Jazz, er hat das Piano einmal als Schlagzeug mit 88 Tasten bezeichnet, und er lebte für seine künstlerische Vision den amerikanischen Tellerwäscher-Traum. Nur ohne den Millionärs-Teil. Er war in Insider-Kreisen längst bekannt, ein Gründervater des freien Jazz, eine ikonenhafte Figur wie die Saxofonisten Ornette Coleman und Albert Ayler, und doch musste er sich lange mit Nebenjobs den Lebensunterhalt verdienen. Wer je das Glück hatte, ihn live auf der Bühne zu erleben, beispielsweise 1989 beim Jazzfestival in Burghausen, wird nie vergessen, wie er mit seiner alle Konventionen sprengenden Kunst eine ganze Stadthalle in seinen Bann ziehen konnte.

Er war damals schon ein älteres Semester, ein dürrer Kerl, der in weißen Socken auf die Bühne kam, mit grau gewordenen Rastazöpfen. Wie er ballett-artig um den Konzertflügel tänzelte, leise Gedichte vor sich hin zischte und dann der Forte-Einsatz: volles Register, Cluster-Akkorde, den Ellenbogen im Dauereinsatz auf der Tastatur. Eher Erdbeben als Konzert. Keiner konnte sein Publikum mit Lautstärke, Atonalität, Ausdauer so meisterhaft überfahren wie Cecil Taylor, und doch war man nah bei den Tränen, wenn in all dem Gewitter kleine Bluesformeln emporstiegen wie Nebelfetzen über einem Moorsee.

Zwischen Karlheinz Stockhausen und Louis Armstong

Cecil Taylor, klassisch ausgebildet am Konservatorium und tief verwurzelt in der Jazz-Tradition, hat wenig Kompromisse gemacht. Ihm war Karlheinz Stockhausen so nahe wie Louis Armstrong, Dave Brubeck so wichtig wie Bela Bartok. Letztlich gefolgt ist er nur der eigenen inneren Stimme. Mit Weggefährten wie dem Drummer Tony Oxley arbeitete er über Jahrzehnte hinweg zusammen. Mit 89 Jahren ist Cecil Taylor nun in seiner Heimatstadt New York gestorben. Man wird die wunderbare Zumutung eines Taylor-Auftritts nie mehr erleben dürfen. Aber auf Youtube gibt es einige sehenwerte Videos. Für all die Momente, in denen man Easy Listening einfach nicht brauchen kann.