Freibad in Oberstenfeld PV-Projekt verspricht viel Strahlkraft
Innovative Idee aus Oberstenfeld: Photovoltaikanlagen auf dem Parkplatz könnten das Mineralfreibad Oberes Bottwartal klimaneutral machen. Zudem spenden die Carports Schatten.
Innovative Idee aus Oberstenfeld: Photovoltaikanlagen auf dem Parkplatz könnten das Mineralfreibad Oberes Bottwartal klimaneutral machen. Zudem spenden die Carports Schatten.
Das Mineralfreibad Oberes Bottwartal zwischen Oberstenfeld und Beilstein ist 2018 zum schönsten Freibad Deutschlands gekürt worden. Nicht zu Unrecht: Im lieblichen Bottwartal gelegen schwimmt man dort mit Blick auf Weinberge und zwei Burgen. Sprungtürme, Wasserrutschen, Liegewiese, ein Kiosk mit Herz und vieles mehr locken jährlich im Schnitt 180 000 Besucher an.
Jetzt macht das Freibad am nördlichen Rand des Landkreises Ludwigsburg mit einer neuen, innovativen Idee von sich reden: Teile des Parkplatzes sollen mit Photovoltaikanlagen überdacht werden. Was in vielerlei Hinsicht Vorteile bietet. Vorrangig natürlich den, dass für das Freibad dann künftig auf fossile Energieträger verzichtet werden kann und die komplette Anlage klimaneutral läuft.
Das hat eine Verbesserung der CO2-Bilanz um 80 Prozent zur Folge, rechnet der Oberstenfelder Bürgermeister Markus Kleemann vor. Der komplette Wärmebedarf des Mineralfreibads würde zum einen durch Sonnenenergie und zum anderen über eine Wärmepumpe abgedeckt.
Vorteil Nummer zwei: Über den auf dem Parkplatz gewonnenen Strom können auch E-Autos und E-Bikes aufgeladen werden. Und, Nummer drei: Die Fahrzeuge stehen nicht wie bislang in der prallen Sonne, sondern im Schatten. Die Photovoltaikanlagen würden als Überdachung dienen.
Das bedeutet im Übrigen nicht, dass zusätzliche Fläche versiegelt wird. Nur 195 von den insgesamt rund 700 Freibad-Parkplätzen werden mit Photovoltaikanlagen überdacht. Das ist genau der Teil, der ohnehin schon asphaltiert ist. Auch alle Bäume sollen stehen bleiben. Die geplante Solarmodul-Fläche auf dem Parkplatz wird 2350 Quadratmeter messen. Hinzu kommen PV-Anlagen auf den Dachflächen des Sanitärbereichs, des Kiosks und der Kasse, womit am Ende auf 3000 Quadratmetern Sonnenenergie erzeugt wird. 565 Kilowatt Peak werden das sein, so die Berechnungen.
Das alles ist freilich noch Zukunftsmusik. Wenn auch greifbare Zukunftsmusik, so alles klappt. Die Idee entstand im vergangenen Jahr. Bei der Nachbesprechung einer Sitzung des Zweckverbands, der das Mineralfreibad Oberes Bottwartal betreibt, kam die Frage auf: „Wie können wir hier Energie sparen?“ Für das ambitionierte Projekt gewann man das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme aus Freiburg. Es zählt europaweit zu den führenden Forschungs- und Entwicklungsdienstleistern im Bereich Solartechnik und der Photovoltaik (PV).
Das neue Energiekonzept für das Freibad wird in der Sitzung des Zweckverbands am 26. September auf der Tagesordnung stehen. Gibt das Gremium grünes Licht, können die konkreten Planungen beginnen. Die Umsetzung hängt nicht unerheblich von den möglichen Fördergeldern ab, die sowohl Bund als auch Land für Projekte dieser Art bereitstellen. 2024 könnte es schon erste Vorarbeiten zur Umsetzung geben, 2025 sollten die schattigen Parkplätze unter Solar-Paneelen dann Realität sein, hofft Markus Kleemann.
Damit nimmt das Mineralfreibad Oberes Bottwartal durchaus eine Vorreiter-Rolle ein. Ein vergleichbares Projekt findet sich in der näheren, aber auch in der weiteren Umgebung bislang nicht. In der Stadt Töging am Inn in Oberbayern gibt es seit 2021 Photovoltaik-Carports am dortigen Freibad, im nahe gelegenen Burgkirchen an der Alz wird derzeit wie in Oberstenfeld Ähnliches geplant.
Aber auch die Träger des Wellariums in Steinheim wollen weg von fossilen Energieträgern. Das Bad wird im kommenden Jahr an die Heizzentrale der Stadt angeschlossen, so der Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch. In diesem Rahmen wird auch eine der Parkplatzflächen überdacht und mit Solarthermie-Modulen bestückt.
Freibad-Parkplätze mit Solaranlagen zu überdachen, hält Anselm Laube, der Chef der Ludwigsburger Energieagentur Lea, „für sehr, sehr naheliegend“. Schließlich werde die Energie genau da produziert, wo sie auch gebraucht werde. „Freibäder sind Großverbraucher“, sagt Laube. Zusätzlich werde der Strom beziehungsweise im Falle einer Solarthermie-Anlage das warme Wasser dann auch noch zu genau dem Zeitpunkt produziert, an dem er beziehungsweise es gebraucht wird: An heißen, sonnigen Sommertagen, an denen alle ins Freibad gehen.
Warum bislang keiner oder nur wenige auf diese Idee kamen? Schließlich ist Photovoltaik ein alter Hut und entsprechende Überdachungen von Parkplätzen in der Branche schon lange ein Thema. Das große Aber sind die Kosten. Die Unterkonstruktion der Solar-Carports sind schnell mal so teuer wie die Module selbst. „Während es noch wahnsinnig günstig Energie gab, hat es sich also nicht gerechnet“, sagt Anselm Laube. Jetzt hingegen schon.
Hinzu kommt, dass sich nur wenige Betriebe sich mit der Materie gut auskannten. Also waren insgesamt die Einstiegshürden für die Bäder-Betreiber zu groß, konstatiert der Chef der Ludwigsburger Energieagentur. Das könnte sich nun ändern. Laube erhofft sich da vom Oberstenfelder Projekt durchaus eine gewisse Strahlkraft.
Photovoltaik
ist die Umwandlung von Lichtenergie, meist aus Sonnenlicht, mittels Solarzellen in elektrische Energie. Es entsteht also Strom. Genutzt wird die Technik seit 1958. Zunächst in der Raumfahrt, diente sie später auch zur Energieversorgung einzelner elektrischer Geräte wie Taschenrechnern oder Parkscheinautomaten. Heute ist mit großem Abstand die netzgebundene Stromerzeugung auf Dachflächen und als Freiflächenanlage das wichtigste Anwendungsgebiet. Ende 2022 waren weltweit PV-Anlagen mit einer Leistung von ungefähr 1200 Gigawatt installiert, was 4,5 Prozent der weltweiten Stromerzeugung entspricht. Baden-Württemberg fördert PV-Überdachungen von bestehenden Parkplätzen ab von 35 Stellplätzen.
Solarthermie
bedeutet die Umwandlung der Sonnenenergie in nutzbare thermische Energie. Solarthermiekollektoren werden für die Warmwassergewinnung genutzt.