Ein 71-jähriger Schwerbehinderter fühlt sich diskriminiert, weil er das Bad verlassen sollte. Doch auch das Personal fühlt sich angegriffen.

Renningen - Ein unschöner Vorfall hat sich jüngst im Renninger Freibad ereignet. Ein 71-Jähriger mit Schwerbehinderung trug wegen eines künstlichen Darmausgangs ein Shirt, während er ins Wasser ging. Das Tragen von Straßenkleidung ist im Freibad nicht erlaubt, deshalb sollte er auf Anweisung einer Mitarbeiterin das Becken verlassen – selbst nach seiner Begründung, wie er betont. Für den Mann eine Frechheit, die er so in anderen Freibädern noch nicht erlebt habe. Die Mitarbeiter dagegen sagen, er habe sie direkt beleidigt und auf Klärungsversuche gar nicht reagiert.

 

Der 71-Jährige kommt eigentlich nicht aus der Rankbachstadt. „Normalerweise bin ich in Leonberg“, erzählt er. „Aber weil das Leobad gerade geschlossen hat, bin ich dieses Mal nach Renningen gegangen.“ Als er ins Wasser ging, war er mit einer Badehose bekleidet und außerdem mit einem Turnhemd. „Ich bin zu 100 Prozent schwerbehindert und habe wegen einer Darmkrebserkrankung einen künstlichen Darmausgang“, erklärt er. „Damit man das nicht so sieht, trage ich beim Baden das ärmellose Hemd.“ Vom Freibadpersonal sei er daraufhin angesprochen worden, er müsse das Shirt ausziehen oder das Becken verlassen. Daraufhin habe er der Angestellten die Situation erklärt, die ihn trotzdem nicht weiterschwimmen lassen wollte. „Ich finde das schlimm, wie man da mit Schwerbehinderten umgeht“, sagt er.

„Normale“ Kleidung ist nicht gestattet

Die Freibadangestellten schildern die Situation ein wenig anders. Sie sprachen den Mann an, nachdem sie ihn mit dem Shirt im Wasser schwimmen sahen. Denn „normale“ Kleidung ist in öffentlichen Bädern normalerweise nicht gestattet. Bis hierhin sind die Geschichten noch identisch. Nach Aussage der Mitarbeiter reagierte der Mann jedoch sofort „gereizt und beleidigend, obwohl unser Personal Verständnis für seine Situation zeigte“, berichtet Marlies Lamparth, Sprecherin der Stadtverwaltung. Man habe ihm beispielsweise den Vorschlag unterbreitet, sich ein spezielles Aquashirt zuzulegen, „damit wäre er noch besser geschützt und er könnte es auch anlassen. Er beleidigte daraufhin unser Personal wiederholt vor anderen Badegästen, ohne sich auf ein Gespräch einzulassen, und verließ das Bad.“

Tatsächlich habe er das Bad ziemlich schnell verlassen, gesteht der 71-Jährige zu, und habe, nachdem man ihm die Benutzung des Beckens weiterhin verbieten wollte, auch nicht mehr auf die Erklärungsversuche reagiert. „Ich sagte: ,Lassen Sie es einfach.’ Ich fühlte mich hier einfach diskriminiert.“ Beleidigungen streitet er dagegen ab. „Ich habe nur gesagt, dass ich die Begründung für verblödet halte. In Leonberg hat sich nie jemand beschwert.“ Auch in Sindelfingen sei das nie ein Problem gewesen.

Der 71-Jährige hat einen Anwalt eingeschaltet

Grundsätzlich gilt im Renninger Freibad die Vorgabe – wie auch in den meisten anderen Einrichtungen –, dass im Wasser „übliche Badebekleidung“ getragen werden muss, beispielsweise Badehosen, Badeanzüge, Aquashirts oder Ähnliches. So steht es in der Badeordnung. Das hat vor allem hygienische Gründe, erklärt Marlies Lamparth. „Daher hat das Personal grundsätzlich richtig entschieden“, sagt sie. „Selbstverständlich hätte man in diesem speziellen Einzelfall auch noch eine Einzelregelung treffen können, aber die betreffende Person ist gar nicht vorher auf unser Personal zugegangen. Der Mann ist direkt ins Wasser und war von Anfang an aggressiv, als man ihn auf die Badebekleidung angesprochen hat. Er hat auch keine Chance zur Klärung gegeben.“

Eine Klärung wird es vermutlich auch nicht mehr geben, denn der 71-Jährige will keinen Fuß mehr in das Freibad setzen. Ausgestanden ist die Sache damit nicht. Der Mann hat mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet.