Das Firmengelände an der Untertürkheimer Straße wird der Bebauung des Freibadareals zugeschlagen. Erneut verschwindet ein Traditionsbetrieb von der Fellbacher Bildfläche.

Fellbach - Erneut verschwindet ein Traditionsbetrieb von der Fellbacher Bildfläche. Diesmal handelt es sich um die alteingesessene Holzbau-Firma Probst, mit Sitz direkt am Fuße des Kappelbergs.

 

Fußgänger oder Autofahrer, die in den vergangenen Tagen auf der Untertürkheimer Straße unterwegs waren, erkannten beim Blick auf der Nordseite, dass hier zahlreiche Steine bewegt werden, ja der Komplex plattgemacht wird. Schneller Zwischenstopp, kurze Nachfrage: Ja, es ist so, wie’s aussieht.

Per Steuerknüppel im Bagger betätigt er die Schaufel und klaubt so die bereits flachgelegten Mauer- und Holzteile auseinander

Der Betrieb hat keine Zukunft mehr. Zuständig für den geordneten Abbruch ist Bernd Off, dessen Tiefbaufirma (Eigenwerbung: „Ein Unternehmen mit Biss“) von Probst für den Abbruch engagiert wurde. Per Steuerknüppel im Bagger betätigt er die Schaufel und klaubt so die bereits flachgelegten Mauer- und Holzteile auseinander, einige seiner Mitarbeiter legen ebenfalls Hand an – während Firmenchef Karl-Michael Probst und seine Schwägerin Doris Probst die Zeremonie mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. Dass dieser Schritt unausweichlich war, erläutern die beiden im Gespräch auf dem Hof. Wie in vielen anderen familiären Handwerksbetrieben ist es auch hier so, dass eine Übergabe an Nachfolger nicht möglich war. Nicht in der Familie – Doris Probst berichtet von ihren vier Kindern und sieben Enkelkindern – und auch nicht im Unternehmen selbst, wo der langjährige Zimmermeister und der Vorarbeiter nicht übernehmen wollten.

Ein wenig überraschend kommt diese Entwicklung allerdings für Beobachter schon

Damit geht eine genau 90-jährige Tradition zu Ende, wurde Holzbau Probst doch 1929 gegründet. „Wir sind jetzt in der zweiten Generation, mein Vater hat angefangen, dann habe ich übernommen“, sagt Karl-Michael Probst. Mit seinen mittlerweile 75 Jahren sei es nun aber auch an der Zeit aufzuhören, sagt der Zimmermeister: „Irgendwann muss man den Schnitt eben machen.“ Schwägerin Doris Probst hatte nicht nur bis vor acht Jahren die kaufmännische Geschäftsführung mit den Finanzen und Löhnen inne, sondern hat auch mehr als 50 Jahre im Wohnhaus auf dem Firmengelände gelebt. „Da blutet einem schon das Herz“, sagt die 81-Jährige. Sie ist mittlerweile in eine seniorengerechte Wohnung umgezogen, und zwar zum Glück nicht weit entfernt im Fellbacher Oberdorf. „Wir hatten letztlich keine andere Option als aufzuhören“, sagt sie und ergänzt mit nostalgischen Gefühlen: „Jetzt, wo vieles schon weg ist, sieht es noch viel größer aus.“

Das Ende der Firma hat übrigens auch überregional Auswirkungen

Ein wenig überraschend kommt diese Entwicklung allerdings für Beobachter schon. Vor nicht allzu langer Zeit hatte nämlich Fellbachs Baubürgermeisterin Beatrice Soltys die Planskizzen fürs künftige Wohngebiet auf dem alten Freibadgelände präsentiert. Der Bereich der Holzbaufirma im Süden des Areals an der Untertürkheimer Straße war als Rechteck ausgespart. Man müsse dort eben drumherum bauen, entgegnete die Dezernentin seinerzeit auf Nachfragen. Vor einigen Monaten dann allerdings war auf den aktualisierten Karten von dieser Aussparung nichts mehr zu sehen. Man habe sich mit der Familie geeinigt, auch jenes Gelände könne nun in die Bauplanung einbezogen werden, so Soltys. Doris Probst bestätigt, dass die Familie das Gelände an die Stadt verkauft hat, Übergabe bis 31. Dezember 2019.

Künftig steht das Probst-Gelände den TV-Schauplatzspürhunden aus der Region Stuttgart nicht mehr zur Verfügung

Die Pläne für eine Bebauung des Freibadgeländes sind Doris Probst, die ebenso kulturell wie kommunalpolitisch interessiert ist und von 1999 an für die CDU fünf Jahre lang im Fellbacher Gemeinderat saß, schon länger bekannt – „das geht schon 20 oder mehr Jahre zurück bis in die Ära Kiel“, sagt sie. Das Ende der Firma hat übrigens auch überregional Auswirkungen: Filmemacher müssen sich neue Locations suchen. Denn das Firmengelände wurde gerne für Dreharbeiten gebucht. Die „Soko Stuttgart“ war sogar zweimal da: Im April 2014 für die 127. Folge „Gutes Mädchen“ Und erst in diesem Mai rückten die Ermittler der ZDF-Sonderkommision aus Stuttgart erneut an. Für die Folge „Das Geld anderer Leute“ diente das Probst-Areal allerdings nicht als Zimmerei, sondern war die Kulisse für eine Spedition. Künftig steht das Probst-Gelände den TV-Schauplatzspürhunden aus der Region Stuttgart nicht mehr zur Verfügung. Wer also einen letzten Blick auf den bis dahin längst abgerissenen Gebäudekomplex werfen möchte: Der ZDF-Vorabendkrimi wird am Donnerstag, 5. Dezember, ausgestrahlt, Beginn wie üblich um 18.05 Uhr.