Kinder zum gesellschaftlichen Mitwirken zu animieren - das ist ein Ziel der Pfadfinder. Um so verheerender ist es wohl, wenn sich ein Betreuer an ihnen vergeht. Ein Mann soll dafür nun vor Gericht gestellt werden.

Freiburg - Wegen hundertfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern hat die Staatsanwaltschaft Freiburg einen ehemaligen Pfadfinderbetreuer angeklagt. Der 41-Jährige soll sich zwischen 2010 und 2018 an vier Jungen vergangen haben. Ihm werden 696 sexuelle Übergriffe zur Last gelegt, wie die Anklagebehörde am Mittwoch mitteilte. Die Jungen seien dabei zwischen 7 und 14 Jahre alt gewesen. Die Taten sollen vor allem in der Kleinstadt Staufen bei Freiburg begangen worden sein, die zuvor durch einen anderen schweren Fall von Kindesmissbrauch überregional in die Schlagzeilen geraten war.

 

Derweil gehen die Ermittlungen gegen einen 27-Jährigen weiter, der ebenfalls verdächtigt wird, sich in Staufen an Kindern vergangen zu haben. Beide Männer waren zeitweise ehrenamtliche Betreuer der örtlichen evangelischen Pfadfindergruppe.

41-Jähriger sitzt in Untersuchungshaft

Für ein gemeinschaftliches Vorgehen der beiden Männer gebe es allerdings keine Anhaltspunkte, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Daher seien die Ermittlungen gegen die beiden Deutschen separat geführt worden. Ob und wann die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 27-Jährigen erhebt, war am Mittwoch noch nicht absehbar.

Der nun angeklagte 41-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, zwischen 2010 und 2013 einen zu Beginn der Taten achtjährigen Jungen in fünf Fällen sexuell missbraucht und in neun Fällen schwer sexuell zu missbraucht haben. Er habe das Kind bei der Staufener Pfadfindergruppe kennengelernt, wo er als Gruppenleiter tätig gewesen sei, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Ebenfalls bei den Pfadfindern soll der Mann einen anfangs sieben Jahre alten Jungen in 131 Fällen schwer sexuell missbraucht haben.

Zudem werden dem einstigen Betreuer im Zeitraum von Januar 2014 bis Februar 2017 weitere 480 Fälle des sexuellen Missbrauchs sowie 69 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs zur Last gelegt. Das Opfer in diesen Fällen sei zu Beginn der Taten elf Jahre alt gewesen. Der Angeschuldigte soll sich auch im August 2017 und im August 2018 an einem anfangs achtjährigen Jungen vergangen haben. Das Kind hatte er auf einem Campingplatz nahe Freiburg kennengelernt.

Mutter eines 17-Jährigen erstattet Anzeige

Ins Rollen gekommen waren die Ermittlungen, als im Februar die Mutter eines mittlerweile 17-Jährigen Anzeige erstattete. Nach Erkenntnissen der Polizei soll der 41-Jährige sich seine Opfer „gezielt ausgesucht“ haben, wie Chefermittler Mathias Kaiser im Mai erklärte. Der Mann habe sie unter Druck gesetzt. „Es kam pro Opfer zu mehreren Übergriffen wöchentlich.“ Die Kinder seien schwer traumatisiert gewesen und hätten unter „enormen, psychischen Belastungen“ zu leiden, sagte Kaiser seinerzeit. 

Bevor der Prozess gegen den Angeschuldigten beginnen kann, muss das Landgericht Freiburg entscheiden, ob es die Anklage zulässt. Anschließend wird ein Termin für die Eröffnung der Hauptverhandlung bestimmt. Damit sei kaum vor dem Herbst zu rechnen, hieß es in Justizkreisen.

Einen direkten Zusammenhang zu den Sexualverbrechen an einem anderen Jungen in Staufen gibt es nicht. Anfang August vergangenen Jahres hatte das Landgericht Freiburg die Mutter des Jungen und ihren Lebensgefährten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten das Kind Männern zum Vergewaltigen überlassen und sich selbst jahrelang an dem Kind vergangen.