In Freiburg wird ein achtjähriger Junge von einem Unbekannten erwürgt. Die Polizei sucht fieberhaft nach dem Täter. Nach zwei Jahren sind alle Spuren abgearbeitet - und die Ermittler ratlos.

Freiburg - Der Fall umfasst 270 Aktenordner mit insgesamt mehr als 20 000 Dokumenten und 150 000 beschrifteten Seiten Papier. Die Ermittler sind 2150 Spuren nachgegangen und haben mehr als 6000 Zeugen vernommen. Doch keiner der Hinweise führt zum Erfolg. Zwei Jahre nach dem Mord am acht Jahre alten Armani in Freiburg tappt die Polizei weiter im Dunkeln. Zu Täter und Motiv gibt es keine Erkenntnisse. Die Spurensuche ist nun beendet, die Akten der Polizei sind geschlossen. Doch die Ermittler hoffen weiter.

 

Es ist der zweite Jahrestag eines ungewöhnlichen Verbrechens: Vor zwei Jahren, am 21. Juli 2014, findet ein Spaziergänger in einem Bach in Freiburg, direkt neben der Kleingartenanlage Vogelnest und nur 400 Meter vom Polizeipräsidium entfernt, ein totes Kind. Es ist die Leiche des achtjährigen Armani. Der Junge wird am Abend zuvor zuletzt lebend gesehen, auf einem Spielplatz in der Nähe seiner Wohnung, vier Kilometer vom Fundort der Leiche entfernt. Er spielt mit seinem Fußball. Bald steht fest: Armani wurde erwürgt. Der Mord an dem Jungen löst in und um Freiburg große Betroffenheit aus.

Nur wenige Spuren

Die Polizei sucht fieberhaft nach dem Täter. „Wir haben alles unternommen, was möglich ist“, bilanziert der Chef der Freiburger Kriminalpolizei, Peter Egetemaier: „Und am Ende stehen wir vor dem Nichts.“ Für die Beamten sei das eine bittere Enttäuschung und Belastung. „Es gibt Narben, die wir davongetragen haben“, sagt der Kripo-Chef der Deutschen Presse-Agentur: „Es schmerzt, wenn ein unschuldiges Kind ermordet wird und die Tat bleibt ungesühnt.“ Das begleite die Beamten, auch nachdem die Ermittlungen zu Ende sind.

Mehr als 70 Polizisten arbeiten anfangs in einer Sonderkommission. Doch die Umstände sind gegen sie. Brauchbare Spuren finden sich nur wenige. Und es gibt keine Zeugen, die etwas gesehen haben.

Wann genau und wo der Junge getötet wird, weiß die Polizei ebenfalls bis heute nicht. Ebensowenig ist klar, was das Motiv der schrecklichen Tat sein könnte. Der Fundort der Leiche, das wissen die Ermittler inzwischen, ist nicht der Tatort. Anzeichen auf einen Serienstraftäter oder ein Sexualverbrechen gibt es nicht, berichtet Chefermittler Thomas Schönefeld. Die Polizei könne es aber auch nicht ausschließen.

Wesentliche Fragen bleiben unbeantwortet

Die Ermittler verhören monatelang in einer Massenbefragung Anwohner, befragten Experten, verteilen Flugblätter, durchsuchen Wohnungen und nehmen Verdächtige fest. Sie finden DNA-Spuren und holen den Rat ein von Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA), sogenannten Profilern und von Psychologen. Und sie lassen 1600 Zigarettenstummel und andere mögliche Spurenträger untersuchen, die am Spielplatz und rund um den Fundort der Leiche sichergestellt werden.

Zudem suchen sie zwei Mal in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY - ungelöst“ nach Hinweisen - jedoch ohne Erfolg. Wesentliche Fragen sind bis heute unbeantwortet. „Wir wissen, wo Armani zuletzt lebend gesehen und wo seine Leiche gefunden wurde. Was dazwischen passiert ist, wissen wir nicht“, sagt Egetemaier. Untersucht werden auch mögliche Parallelen zu anderen Fällen - zum Beispiel zur lange verschwundenen Peggy aus Franken oder zum Mord am zehnjährigen Mirco in Nordrhein-Westfalen. Doch auch hier: Fehlanzeige.

Mord verjährt nicht

Mit dem polizeilichen Schlussbericht werden die Akten in 25 prall gefüllten Umzugskartons dem zuständigen Staatsanwalt übergeben. Die Polizei muss für den Transport extra einen Lastwagen organisieren - so umfangreich sind die Akten.

„Wir werden die polizeilichen Akten nun sichten und prüfen, ob es noch einmal einen Ansatz für weitere Ermittlungen gibt“, sagt Oberstaatsanwalt Michael Mächtel. Sollte dies nicht der Fall sein, werde das Verfahren eingestellt. „Das heißt aber nicht, dass wir dann nicht mehr aktiv werden.“ Sobald es neue Hinweise oder einen Verdacht gebe, werde sofort wieder ermittelt. Für Hinweise, die zur Ergreifung des oder der Täter führen, sind 20 000 Euro Belohnung ausgesetzt. Diese Belohnung bleibt ohne zeitliches Limit bestehen.

Ans Aufgeben denken die Ermittler nicht, sagt Mächtel: „Es gibt Fälle, in denen sich ein Täter nach Jahrzehnten durch unbedachte Äußerungen oder Handlungen selbst verrät - oder ganz bewusst sein Schweigen bricht, weil er sein Gewissen erleichtern will.“ Mord verjähre nicht. Der Hauptsachbearbeiter der Kripo habe nun weiter ein Auge auf den Fall. „Unser Wille, diesen Fall zu klären, ist ungebrochen“, betont Kripo-Chef Egetemaier.