Ein Freiburger Bäcker greift zu einer radikalen Maßnahme, um seine Belegschaft zu entlasten.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Hat da einer ganz viel Mut – oder schon zu viel Geld verdient? Der Bäckermeister Alexander Bühler (53) aus Freiburg hat seiner Kundschaft neue Öffnungszeiten mitgeteilt. Der Knaller: Samstags wird der Laden im Freiburger Stadtteil Wiehre seit Neuestem geschlossen bleiben. Samstags? Ausgerechnet an dem Tag, an dem das Publikum des Quartiers, in dem Bühler Backstube und Laden betreibt, am allerliebsten bei ihm Weckle, Brot und süße Teilchen einkauft. Die Schlange vor dem Laden erinnert jedesmal an DDR-Dimensionen. Denn am Sonntagmorgen hat der Bäcker Bühler nicht geöffnet. Die Wiehre-Bürger – und darüber hinaus Feinschmecker aus der ganzen Stadt – müssen künftig das ganze Wochenende Freitagsbrötchen oder Backwerk von einem Konkurrenten verzehren.

 

Natürlich weiß der Bäckermeister Alexander Bühler, der den 1912 gegründeten Betrieb in dritter Generation führt, was er seiner Kundschaft zumutet. Andere Bäcker würden ja gerne noch an einem achten Tag aufmachen, wenn es ihn denn gäbe. Aber Bühler will seine zehnköpfige Belegschaft entlasten. „Das war eine lange diskutierte Entscheidung“, sagt der Bäckermeister Stefan Wiessler (53), der die Backstube leitet. Er und Bühler haben zusammen Bäcker gelernt. „Wir haben alle Möglichkeiten durchgesprochen“, sagt Wiessler, auch die Schließung an einem Werktag. „Aber wir wollten den Wochentakt der Familien nicht unterbrechen“, sagt Wiessler.

Der Bäcker will „ein Zeichen setzen“

Am Freitag bleibt der Laden künftig zwei Stunden länger geöffnet; die Brötchen blieben ja über Nacht frisch, sagen die Bäcker. „Wir wollten auch ein Zeichen setzen“, betont Wiessler. Die Arbeit in der Backstube unter beengten Verhältnissen und dem einzigen Laden sei sehr anstrengend, und Bühler und Wiessler wollen ihre Leute nicht länger überfordern. Eine Vergrößerung sei nicht möglich, und das Team möchten sie unbedingt zusammenhalten, denn es sei schwer geworden, Nachwuchs für ausscheidende Mitarbeiter zu gewinnen. Bäcker ist nun mal ein Nachtberuf mit partyfeindlichen Arbeitszeiten.

Die ersten Kundenreaktionen seien überwiegend von Verständnis geprägt, berichtet Wiessler. Die Kollegen der Bäckerinnung sind baff. Wolfgang Pfeifle (47), ein anderer Freiburger Kult-Bäcker, kann Bühlers Schritt nachvollziehen, findet ihn mutig und verweist darauf, dass es auch andernorts Bäcker gibt, die nicht jederzeit geöffnet haben. Zum Beispiel Nischenbäcker mit interessanten handwerklichen Produkten wie die „Brotpuristen“ im rheinland-pfälzischen Speyer.

Die Konkurrenz versteht Bühlers Schritt

Pfeifles Bäckerei beschäftigt 19 Bäcker und insgesamt 110 Angestellte in zehn Filialen im Stadtgebiet. Vor einigen Jahren hat der Chef das im Laden angebotene Sortiment der 1906 von seinem Urgroßvater gegründeten Bäckerei radikal auf acht Sorten reduziert und sein Team auf traditionelles Handwerk eingeschworen. Das Meisterstück ist der „Freiburger Michel“, ein nach alter Backkunst hergestelltes Weizensauerteigbrot. Am Samstag zu schließen, kann Pfeifle sich nicht vorstellen, aber auch er musste Mittel und Wege finden, um Überlastungen zu vermeiden. „Wir haben gute Schichtpläne und Pausenregelungen ausgetüftelt“, sagt er. Aber einer müsse doch immer da sein, denn „bei uns steht die Backstube nie still.“

Verständnis für Bühlers radikalen Schritt hat auch der Innungsobermeister der Bäckerinnung Freiburg, Johannes Ruf (48). „Das hat sich bisher noch keiner getraut“, sagt er aber, „der Samstag ist eigentlich der klassische Weckle-Tag.“ Doch jeder Bäcker müsse selber wissen, welche Lösung für ihn die richtige sei. Ruf bestätigt, dass es sehr schwer geworden ist, Personal für den Nachtberuf zu finden. Die gesamte Branche stehe im Umbruch. Traditionelles Handwerk muss sich gegen industrielle Massenware behaupten. „Das geht nur mit Top-Qualität – und die hat Bühler“, sagt Ruf. Somit könne er wohl auch seine Kundschaft über den brot- und brötchenlosen Samstag hinweg überzeugen.