Sie waren den Übergriffen hilflos ausgeliefert - und leiden bis heute: Kinder und Jugendliche, die in der katholischen Kirche missbraucht wurden. Eine Freiburger Studie nennt erstmals Zahlen.

Sie waren den Übergriffen hilflos ausgeliefert - und leiden bis heute: Kinder und Jugendliche, die in der katholischen Kirche missbraucht wurden. Eine Freiburger Studie nennt erstmals Zahlen.

 

Freiburg - Nach jahrelanger Debatte um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hat die Diözese Freiburg erstmals konkrete Zahlen veröffentlicht. Für die Zeit von 1942 bis zum vergangenen Jahr seien 185 Opfer ermittelt worden, teilte das Bistum am Freitag in Freiburg mit. Darunter seien 72 sogenannte Heimkinder, die damals in kirchlichen Einrichtungen lebten. Ein Großteil der Übergriffe ereignete sich von 1960 bis 1990. In 38 Fällen seien die Täter strafrechtlich verurteilt worden. Rund 130 Opfer habe die Kirche mittlerweile finanziell entschädigt. Freiburg ist neben Münster die zweitgrößte der 27 katholischen Diözesen in Deutschland.

Nach Missbrauchsvorwürfen und einer öffentlichen Debatte darüber hatte die Diözese eine unabhängige Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse nun bekanntgegeben wurden. Bei den Opfern handelt es sich demnach oft um Kommunionkinder, Ministranten sowie Kinder aus „gut katholischen Elternhäusern“. Die Vorfälle reichen von verbalen, sexuell gefärbten Angriffen bis hin zu Vergewaltigungen. Die Opfer, so heißt es, litten bis heute unter den übergriffen. Die Folge seien zum Beispiel Depressionen, Schlaf- und Beziehungsstörungen.

Die meisten Fälle endeten ohne Verurteilung

„Die Untersuchungen ergaben als Folge der Übergriffe eine erhebliche physische und psychische langjährige Beeinträchtigung der Opfer, die bei Heimkindern oft in verschärfter Form auftraten“, erklärten die Macher der Studie. Heimkinder seien den Angriffen hilflos ausgeliefert gewesen. Es gebe 119 Beschuldigte. 23 von ihnen seien mehrfach als Täter genannt worden. Die meisten Fälle endeten ohne eine Verurteilung, weil sie verjährt oder nach Auffassung der zuständigen Staatsanwaltschaften nicht strafrechtlich relevant waren.

Als finanzielle Entschädigung hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) den Angaben zufolge bis zu 5000 Euro pro Opfer vorgeschlagen. Die Diözese liege aber darüber, sagte ein Sprecher. In knapp 60 Prozent würden zudem die Kosten für Therapien übernommen. Die meisten Fälle seien erst in den vergangenen vier Jahren publik geworden. Nachdem es erstmals im Frühjahr 2010 erstmals eine größere öffentliche Diskussion über Missbrauch in der katholischen Kirche gegeben hatte, meldeten sich die meisten der Opfer.

Externe Fachleute übernehmen Untersuchung

„Ziel der Studie war und ist es, sexuellen Missbrauch aufzuklären und weitere Taten zu verhindern“, teilte die Diözese mit. Deshalb sei die Studie von externen Fachleuten erarbeitet und untersucht worden.

Freiburg nimmt beim wissenschaftlichen Aufarbeiten des Missbrauchskandals eine führende Rolle ein. Dieser Prozess werde fortgeführt, hieß es. Die Kirche gehe jedem Fall nach - unabhängig davon, ob sie er strafrechtlich relevant sei oder nicht. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass es eine Dunkelziffer gebe.

Zwischen der Bischofskonferenz und dem Kriminologen Christian Pfeiffer hatte es im vergangenen Jahr Streit um eine ähnliche Studie auf Bundesebene gegeben. Die Bischöfe entzogen Pfeiffer im Januar 2013 nach Meinungsdifferenzen den Auftrag und vergaben ihn diesen März neu an ein Forschungskonsortium um den Neurowissenschaftler Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Seine Studie ist auf dreieinhalb Jahre angelegt.

Die Freiburger Ergebnisse sollen in Dreßings bundesweite Untersuchungen einfließen. Für Freiburg haben den Angaben zufolge Juristen, Mediziner und Wissenschaftler den Missbrauch erforscht.