Mit einer Präsentation der anstehenden Premieren macht die freie Tanz- und Theaterszene Stuttgart auf sich aufmerksam. Unterwegs sind deren Künstler sogar in Afrika.
Eine Schaufensterfront öffnet die Geschäftsstelle der freien Tanz- und Theaterszene Stuttgart (FTTS) auf die Kriegsbergstraße. Viel Verkehr war am Donnerstag nicht nur draußen; in den FTTS-Räumen kamen Bühnenschaffende zusammen, um über anstehende Projekte zu informieren. Ob Theater oder Tanz, Performance oder Figurenspiel: Der Ausblick zeigte nicht nur, wie vielgestaltig und produktiv die Stuttgarter Szene ist.
Neben der Fülle an Premieren, die Theater auf dem Bauernhof ebenso bietet wie ein in 22 Betten zu genießendes Nachtstück, stand der hohe Grad an Vernetzung im Vordergrund, der als neue Stärke der FTTS Rückenwind gibt. Die sei so besonders, dass sich eine gemeinsame Präsentation daraus ergeben habe, sagte FTTS-Geschäftsführer Thomas Guggi bei der Begrüßung.
Gastspiele in Kampala und Nairobi
Die Sichtbarkeit der freien Szene weiter zu erhöhen nannte Guggi als eines von drei wichtigen Zielen. Ein Grußwort von zwei Stuttgarter Choreografinnen, die aktuell an der Tanzbiennale der Elfenbeinküste in Abidjan teilnehmen, zeigt, dass da manches bereits in Bewegung ist. Auch Johannes Blattner ist mit seiner Kompanie in Abidjan, das O-Team ist mit seinem Aufräum-Stück „Hibernation“ im November zum internationalen Theaterfestival in Nairobi eingeladen, im selben Monat spielt das Citizen.Kane.Kollektiv seine Produktion „Sphaere – Zerfall im All“ bei einem Festival in Ugandas Hauptstadt Kampala. „Wir möchten Anreize schaffen, um solche Gastspiele und internationale Kooperationen zu fördern“, blickt Guggi nach vorn.
Förderstrukturen und Raumsituation zu verbessern sind die weiteren wichtigen Ziele der FTTS. Bei ersterem ist die Berücksichtigung der neuen Mindesthonorare bei Anträgen ein aktuelles Anliegen, beim zweiten Punkt geht es auch darum, die seit 2015 avisierte eigene Spielstätte endlich zu realisieren. Nachdem sich der Einzug in den am Theaterhaus geplanten Erweiterungsbau zerschlagen hat, würde die FTTS gern das leerstehende Gebäude des ehemaligen Clubs Penthouse als Proben- und Aufführungsort ertüchtigen.
Bis der Gemeinderat darüber entscheidet, wird an vielen Orten in der Stadt gespielt. In den Wagenhallen zum Beispiel. Dort zeigt das zwischen Kunst und Theater beheimatete O-Team im Dezember seine elfstündige Schlaf- und Traumperformance „Nachtstück Nr. 2“, das Publikum verfolgt sie aus dem Bett heraus. Auch die Choreografin Nicki Listza nutzt den Projektraum und spielt hier Ende des Jahres die Stuttgarter Premiere von „Feen//Fairies“, einem Stück, das seine fünf Akteure gegen den Widerstand von weichen Turnmatten antanzen lässt.
Niederschwellige Kulturangebote im öffentlichen Raum sind seit 20 Jahren das Ding von Lokstoff. Die Premiere „7 Hertz – vor der Stadt“ setzt am 19. Oktober auf einem Bauernhof in Ruit das Nachdenken über das Thema „Erben“ fort. Doch auch der Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und effizientem Wirtschaften spielt eine Rolle und soll in einem begleitenden Projekt vertieft werden, für das die Bäuerin aus ihrem Alltag erzählt und Wochenmärkte besucht werden.
Recherchen zur Zensur
Mit ungewöhnlichen Kunstorten hat auch das Citizen.Kane.Kollektiv Erfahrung; eines der neuen Projekte will zeigen, welches geballte Wissen die Bewohner eines Wohngebäudes versammeln. „Blockkunst“ lautet der Arbeitstitel. Davor steht das Thema Theaterzensur im Mittelpunkt, eine Kooperation mit dem Theater Replika in Bukarest brachte es ins Spiel; inzwischen sind Institutionen in Leipzig und Dresden mit an Bord. Um die Frage, was zu DDR-Zeiten auf der Bühne ging und was nicht und mit welchen Methoden Künstler die Zensur austricksen, geht es in „Weiße Elefanten“.
Das Produktionszentrum für Tanz und Performance (PZ) und das Fitz sind wichtige Anlaufstellen für die freie Szene; in ihrem Angebot spiegelt sich das Plus an Aktivität. Das PZ reagiert darauf mit der Ausweitung seines Trainingsangebots für Tänzer; zudem bündelt das Format „Shorties“ verschiedene Künste, am 17. Oktober zum Beispiel unter Mitwirkung der Choreografin Smadar Goshen, mit dabei sind Filmwinter und Fitz als Partner.
Im Figurentheater, so hat Fitz-Leiterin Katja Spieß beobachtet, „liegt der Fokus gerade verstärkt auf Tanz und Physical Theatre, während sich Choreografen mehr für Material und Puppen interessieren“. Kooperationen und Netzwerker sind also willkommen. Um ein Möbel tanzt etwa das neue Stück des Materialtheaters, „Ich liebe Tisch“ hat am 12. Oktober Premiere. In ein Netz aus Identitäten verstrickt sich die ungarische Figurenspielerin Helga Lázár wortwörtlich in „Roots“ (26. Oktober). Der Tisch der freien Szene ist also reich gedeckt, das Publikum darf Platz nehmen.
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Termine
Informationen zu Premieren und Vorstellungen finden sich im Online-Veranstaltungskalender der Freien Tanz- und Theaterszene Stuttgart.