Der Bundesvorsitzender der „Freien Wähler“, Hubert Aiwanger, begrüßt die Gründung der neuen Partei „Alternative für Deutschland“. „Umso spannender wird die Diskussion“, sagt Aiwanger – und bietet der neuen Partei ein Zusammengehen an.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Freien Wähler (FW) sehen eine mögliche Konkurrenz bei der Bundestagswahl durch die neue Partei „Alternative für Deutschland” gelassen. Ihr Bundesvorsitzender Hubert Aiwanger (42) begrüßte es, dass sich mit dem Zusammenschluss von Professoren und Publizisten (siehe StZ vom 6. März 2013) nun eine zweite Gruppierung gegen die Euro-Politik der Bundesregierung wende. „Je mehr Kräfte sich dieses Themas annehmen, umso spannender wird die Diskussion”, sagte Aiwanger der Stuttgarter Zeitung. Die weitgehend einigen Bundestagsparteien könnten sie dann „nicht mehr unterdrücken“.

 

Zwischen der Bundesvereinigung der Freien Wähler und der „Alternative für Deutschland“ gebe es eine „große Schnittmenge in der Euro-Politik”, aber auch Unterschiede. Während die Professoren den Euro grundsätzlich in Frage stellten, wendeten sich die Freien Wähler vor allem gegen die Euro-Rettungspolitik. Ihre Forderung: Länder wie Griechenland, die die Euro-Kriterien nicht erfüllten, sollten aus der Währungsunion ausscheiden und mit einer eigenen Währung erstarken; dann könnten sie wieder beitreten. „Die Schwachen gehören auf Genesungsurlaub raus”, sagte Aiwanger. Weitere milliardenschwere Rettungspakete würden die Freien Wähler im Bundestag ablehnen.

„Die Türen sind nicht zugeschlagen“

Ein Zusammengehen mit der „Alternative für Deutschland” schloss Aiwanger nicht aus: „Die Türen sind nicht zugeschlagen.” Bei der Landtagswahl in Niedersachsen hatten die beiden Kräfte kooperiert, was aus Sicht der „Alternative” jedoch kein Erfolg war; die FW holten nur 1,1 Prozent der Stimmen. Inzwischen sind aus den Reihen der Professoren Zweifel laut geworden, ob die Parteigründung bis zur Bundestagswahl organisatorisch überhaupt zu bewältigen sei. Im Gegensatz zu ihnen und zur Piratenpartei hätten die Freien Wähler in der Kommunalpolitik einen „funktionierenden Unterbau”, betonte Aiwanger.

In Umfragen rangierten die FW derzeit bei zwei Prozent, ihr Potenzial werde aber auf 17 bis 25 Prozent beziffert. Bis zur Bundestagswahl könne sich „noch viel bewegen”, sagte der Bundesvorsitzende, der auch Chef der Landtagsfraktion in Bayern ist. Von den eine Woche vorher stattfindenden Landtagswahlen erhoffe man sich eine „Steilvorlage“ für den Bund. Wichtig sei es vor allem, die Bekanntheit zu steigern. Laut Aiwanger wollen die Freien Wähler in „deutlich mehr als 200” von insgesamt 299 Wahlkreisen mit eigenen Bewerbern antreten. Spitzenkandidat ist der Unternehmer und Adenauer-Enkel Stephan Werhahn.

In Baden-Württemberg gibt es laut dem Landesvorsitzenden Bernd Grimmer, einem langjähriger Pforzheimer Stadtrat, bereits in der Hälfte der Wahlkreise Kandidaten; Ziel sei es, alle Wahlkreise zu besetzen. Die Landesliste soll am 21. April beschlossen werden. Über einen Spitzenkandidaten sei noch nicht entschieden, sagte Grimmer. Die Freie-Wähler-Partei tritt im Südwesten gegen den Widerstand des Landesverbandes der kommunalen Freien Wähler an, die ihr vergeblich die Nutzung des Namens verbieten wollte.

„Großprojekte sehen wir tendenziell kritisch“

Den Vorwurf deren Landeschefs Heinz Kälberer, es handele sich um „Trittbrettfahrer”, wies Aiwanger als „Unverschämtheit” zurück. Auch aus den Reihen der Kommunalpolitiker im Land werde das Antreten bei der Bundestagswahl unterstützt, und die Freien Wähler, welche für die Landtagswahl antreten, seien kommunal verwurzelt. Aiwanger charakterisierte die Freien Wähler als „konservativ-liberal, aber moderner als die anderen Parteien”.

Neben der Euro-Politik wollten sie sich im Wahlkampf vor allem für dezentrale Strukturen und Bürgerbeteiligung einsetzen. „Großprojekte sehen wir tendenziell kritisch”, sagte der Bundeschef auch im Blick auf Stuttgart 21. Es sei zu bedenken, „ob das knappe Geld nicht in der Fläche besser investiert wäre”. Zurückdrängen wollen die Freien Wähler den Einfluss von Lobbyisten, der nach ihrer Ansicht überhand genommen hat. In der Steuerpolitik plädiert Aiwanger für eine radikale Vereinfachung, die sich an das Modell des Verfassungsrechtlers Paul Kirchhoff anlehnt: Alle Einkünfte, die einen Freibetrag von monatlich 1600 Euro überstiegen, sollten pauschal mit 25 Prozent versteuert werden.