Bei den Gesprächen zum Freihandelsabkommen TTIP sorgen jetzt Subventionen für Kultureinrichtungen für Unmut – also etwa für Theater und Museen. Die jüngsten Bedenken gelten nun den Volkshochschulen.

Stuttgart - Über das „größte bilaterale Handelsabkommen der Geschichte“, jubelte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im vergangenen Juli zum Auftakt der Freihandelsgespräche mit den USA. Doch die Freude ist verflogen. Nach Chlorhühnchen und überstaatlichen Schiedsgerichten gilt die Sorge jetzt den deutschen Kultursubventionen.

 

„Die Linke wollte die Kultur gänzlich von den Verhandlungen ausnehmen“, sagt der Linken-Europaabgeordnete Helmut Scholz. Aber es kam anders – vor allem auf Wunsch der Mitgliedstaaten. Nur Frankreich scherte aus. „Es wird keine Verhandlungen geben, wenn audiovisuelle Medien nicht ausgenommen werden“, drohte Frankreichs Handelsministerin Nicole Bricq und hatte Erfolg. Über audiovisuelle Medien wird mit den USA nicht verhandelt, sprich: Frankreich darf den heimischen Film weiter fördern und auch die Quote für französisches Liedgut von Johnny Hallyday bis Patrick Bruel bleibt unangetastet.

Die Erwachsenenbildung gerät in den Fokus

Frankreichs Druck zahlte sich also aus. Angela Merkels Bundesregierung war nachsichtiger. Und so findet sich im Verhandlungsmandat für die EU-Kommission nur die weiche Formulierung, die kulturelle Vielfalt solle erhalten bleiben. Aber genau daran bestehen Zweifel: Von der deutschen Buchpreisbindung, über öffentliche Subventionen für Theater und Museen bis hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird von den Folgen des transatlantischen Handels für die deutsche Kulturlandschaft gewarnt. Die Buchpreisbindung etwa dient dazu, über einen festgeschriebenen Preis kleine Verlage und Buchhandlungen zu schützen. Das System ist in der EU in Deutschland und Österreich etabliert, in Frankreich dürfen Abschläge von maximal fünf Prozent auf den Ladenpreis unterbreitet werden. Die Sorge ist nun, dass US-Verlage darauf dringen könnten, Großkunden in der EU Rabatt auf ihre Bücher zu gewähren. Zu Lasten kleinerer Buchhandlungen. Deshalb dringt Helmut Scholz von der Linken darauf, den Kulturbereich komplett aus den Verhandlungen herauszunehmen.

Zwar hatte der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) unlängst im Interview versichert, die Kultur bleibe von den Gesprächen unberührt. Doch so einfach ist es nicht. In der jüngsten Verhandlungsrunde, so wird gemunkelt, habe die US-Delegation vor allem über den Bereich der Erwachsenenbildung reden wollen – in der Gesellschaft des lebenslangen Lernens geht es um den lukrativen Markt der Weiterbildung. Die Unterstützung der Kommunen für die Volkshochschulen könnten von der US-Konkurrenz als unerlaubte Beihilfe gewertet werden. Europaabgeordnete wie der SPD-Politiker Bernd Lange sind alarmiert. „Wir haben in der Erwachsenenbildung mit den Volkshochschulen ein System, das sich etabliert hat und das wir nicht in Frage stellen sollten“, sagt Lange, der im neuen Europaparlament gerade zum Vorsitzenden des mächtigen Handelsausschusses gewählt worden ist und damit zum parlamentarischen Chefkontrolleur von TTIP aufstieg. Denn das Abkommen mit den USA muss vom Europaparlament gebilligt werden.

Die Gespräche sind in unruhiges Fahrwasser geraten

Das Abkommen ist heftig in Kritik geraten. Längst aber beschleicht Befürworter des Freihandelsabkommens der Verdacht, dass stetig nur neue Gründe vorgeschoben werden, um den transatlantischen Pakt als Ganzes zu torpedieren. Dass die umstrittenen Schiedsgerichte, die im Streit zwischen ausländisdchen Investoren und nationalen Regierungen schlichten sollen, 1959 von Deutschland erfunden wurden, mag hierzulande kaum mehr jemand mehr wissen. Schon die alte schwarz-gelbe Bundesregierung rückte in den Verhandlungen mit den USA leise von dem Vorhaben ab. Und der zweifelsohne lohnende Einsatz für die Buchpreisbindung, für die in Deutschland und Österreich und in einer milderen Variante auch in Frankreich – dort sind Rabatte von maximal fünf Prozent auf den Ladenpreis erlaubt – wäre noch glaubwürdiger, hätte Europa samt seiner Troika bei den Sparprogrammen in Griechenland nicht eben auf die Abschaffung dieses kulturellen Eckpfeilers bestanden. Dass Amazon im Kampf gegen Verlage wie Hachette oder Bonnier – zu denen Carlsen, Ullstein und der Berlin Verlag gehören – Abschläge auf den Buchpreis fordert, passt ins Bild: Wieder ein US-Konzern, der im digitalen Zeitalter im Kampf um Marktmacht Europas kulturelle Vielfalt bedroht.

Die Freihandelsgespräche mit den USA sind in ein unruhiges Fahrwasser geraten. Selbst die Nato bastelt nun an einem Dokument, das die transatlantische Verbundenheit – inklusive Freihandel – betont. Der SPD-Abgeordnete Lange plädiert für eine Denkpause. „Wir sollten nach den Kongresswahlen in den USA und dem Start einer neuen EU-Kommission im November eine kritische Zwischenbilanz ziehen.“