Über Jahre hat ein 58-jähriger Mann aus dem Rems-Murr-Kreis Baufirmen gegründet und wenig später an die Wand gefahren. Nun ist er ein weiteres Mal verurteilt worden.

Betrug, vorsätzliche Insolvenzverschleppung, Bankrott: Straftaten wie diese gehören schon lange zum Leben eines 58-jährigen Geschäftsmannes aus dem Rems-Murr-Kreis. Seit der Gründung seiner ersten Firma im Jahr 2000 hat der Stahlbetonbauer alle paar Jahre vor Gericht gestanden – mal wegen der eingangs erwähnten Delikte, mal weil er Sozialversicherungsbeiträge oder Löhne für Beschäftigte nicht rechtzeitig überwies. Im Laufe der Zeit hat er so mehrere Firmen gegen die Wand gefahren.

 

„Wie eine rote Linie“ zögen sich Straftaten dieser Art durch das Berufsleben des 58-Jährigen, stellte Michael Kirbach, Direktor und Richter am Amtsgericht Waiblingen, fest. Ende Januar 2015 hatte eben dieses Gericht den Mann unter anderem wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem hatte der damals zuständige Richter verfügt, dass der Angeklagte nicht mehr als Geschäftsführer agieren darf.

Zum Zeitpunkt der Verurteilung hatte der Angeklagte aber schon wieder eine neue Firma gegründet. Diese führte er trotz der Geschäftsführer-Sperre weiter. „Für Vorschriften interessieren Sie sich nicht so sehr“, schloss Richter Michael Kirbach. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft war diese 2012 gegründete Firma bereits Ende 2013 wieder zahlungsunfähig. Dafür sprechen unter anderem eine umfangreiche Liste von Vollstreckungs- und Mahnbescheiden von Gläubigern sowie 45 Zwangsvollstreckungsaufträge an die Gerichtsvollzieherin. Dennoch habe der Mann die Insolvenz über einen Zeitraum von zwei Jahren und zehn Monaten verschleppt, so die Anklage.

Geld vom Firmenkonto floss auf das der Ehefrau

Von Mitte bis Ende des Jahres 2015 ergingen sechs Haftbefehle gegen den Angeklagten. Dieser kam der Aufforderung, Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu geben, nicht nach. Während dieser Zeit hatte der 58-Jährige immer wieder Beträge von mehreren hundert oder auch tausend Euro auf das Konto seiner Ehefrau überwiesen. Damit habe er das Geld vor dem Zugriff eines Insolvenzverwalters sichern wollen, lautete der Vorwurf.

Der Frau wurde in der Anklageschrift Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung zur Last gelegt. Seine nicht vorbestrafte Mandantin sei in die Geschäfte nicht involviert gewesen, argumentierte der Rechtsanwalt der Ex-Frau des Angeklagten, die versicherte: „Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen.“ Ihr Anwalt räumte ein: „Wenn etwas zu unterschreiben war, hat sie es hingelegt bekommen und unterschrieben. Aber sie wusste nicht, wie es um die Gesellschaft stand und daher ist auch keine Beihilfe möglich.“ Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren schließlich eingestellt.

Verstoß gegen die Geschäftsführer-Sperre

Die wortreichen Erklärungen des Angeklagten für die Überweisungen auf das Konto seiner Frau „aus praktischen Gründen“ sowie für die spät oder gar nicht geleisteten Zahlungen, die er teils mit Schlampigkeit, teils mit Arbeitsüberlastung und verzögert zahlenden Kunden begründete, überzeugten Richter und Staatsanwalt hingegen nicht. „Es fällt schwer zu glauben, dass Sie so beschäftigt waren, dass die Büroarbeit liegen blieb“, sagte der Richter, der die Behauptung der Anwältin, die Firma sei nicht insolvent gewesen, sondern gut gelaufen, bezweifelte.

Michael Kirbach machte deutlich, dass er angesichts des Bewährungsbruchs in puncto Geschäftsführer-Sperre und der vielen Vorstrafen – zuletzt wurde der Mann 2022 wegen Steuerhinterziehung verurteilt – Schwierigkeiten mit einer Bewährungsstrafe habe. Er sehe keine günstige Sozialprognose.

Verteidigung ändert ihre Strategie

Daraufhin änderte die Verteidigung ihre Taktik. „Mein Mandant räumt die Tatvorwürfe ein“, erklärte dessen Anwältin nach einer kurzen Beratungspause. Ein Kriminalhauptkommissar in Rente, der in dem Fall ermittelte, sagte aus, der Großteil des abgezweigten Geldes sei in die Firma geflossen und für Löhne und Lieferanten benutzt worden. Der Angeklagte sei kooperativ gewesen. Die meisten Schulden habe er später bezahlt.

Richter Michael Kirbach verurteilte den 58-Jährigen zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung. Für den Angeklagten, der an Krebs erkrankt ist, spreche das Geständnis und seine Bemühungen, den Schaden wieder gut zu machen. Als „kleiner Denkzettel“ muss er 1500 Euro an das Kinderhospiz Sternentraum überweisen.

Was bedeutet Insolvenzverschleppung?

Erklärung
Bei der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung stellt der Geschäftsführer bewusst – und anders als gesetzlich vorgeschrieben – keinen Insolvenzantrag, obwohl er weiß, dass das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Dadurch nimmt er in Kauf, dass Gläubiger geschädigt werden.