Freilandschweine in Großerlach Ein sauglückliches, artgerechtes Leben
Wühlen, dösen, ab und zu ein schönes Schlammbad: Die Schweine von Christel Berthold und Michael Wieland aus Großerlach leben ganzjährig im Freien und fühlen sich sauwohl dabei.
Wühlen, dösen, ab und zu ein schönes Schlammbad: Die Schweine von Christel Berthold und Michael Wieland aus Großerlach leben ganzjährig im Freien und fühlen sich sauwohl dabei.
Zeit fürs zweite Frühstück. Rosi legt sich hin. Ganz langsam. Ganz vorsichtig. Damit nicht eines ihrer Kinder, die um sie herumtollen, Schaden nimmt. Ganz langsam, ganz vorsichtig – das ist gar nicht so einfach, wenn man gut 250 Kilogramm wiegt. Aber Rosi schafft das. Als Freilandschwein ist sie es gewohnt, sich viel zu bewegen, auch auf holperigem Terrain. Erst geht sie vorne in die Knie, dann hinten. Und legt sich schließlich mit einem Grunzen auf die Seite. Ruckzuck stehen die Ferkel parat und beginnen, Rosis Zitzen zu massieren, damit Milch fließt. Sechs Paar Schlappohren fliegen auf und ab, nur gelegentlich unterbricht Rosis tiefes Brummen die gefräßige Stille.
Bei solchen Szenen geht Christel Berthold und Michael Wieland das Herz auf. „Wenn man die Schweinchen sieht, weiß man, dass man das Richtige macht“, sagt Christel Berthold. Vor gut sieben Jahren sind die ersten 15 halbwüchsigen Schweine der Rasse Duroc bei dem Paar in Großerlach eingezogen. Michael Wieland hat sich damit einen lang gehegten Wunsch erfüllt. „Freilandschweine haben mir schon immer gefallen“, sagt er, dessen Eltern einst Rinder als Nebenerwerb hielten. Als der Vater starb, war es vorbei damit. Der Stall neben dem Wohnhaus blieb stehen, aber viele Jahre verwaist. Heute dient er als Kranken- und Isolierstation, wenn mal ein oder mehrere Schweine krank sind. Das aber sei fast nie der Fall, sagt Wieland, lacht und erzählt, der Tierarzt habe vermutet, man sei abtrünnig geworden, weil er so selten gerufen werde.
Dass seine Duroc-Schweine so gesund sind, führt Michael Wieland zum einen auf die alte, robuste Rasse zurück: „Das sind sehr gemütliche, stressresistente und ausgeglichene Tiere.“ Zum anderen leben die Tiere das ganze Jahr auf der Weide. „Unsere Schweine können ihren Bewegungsdrang ausleben, in der Erde wühlen, im Schlamm baden oder im Gras liegen.“ Sprich: sie haben das saumäßige Glück, ein artgerechtes Leben führen zu können.
Auf die Rasse ist Michael Wieland bei der Zeitungslektüre gestoßen. „Die war damals noch nicht so bekannt, hat mir aber sofort gefallen“, erinnert sich der Großerlacher, der teils reine Duroc-Schweine, teils Tiere mit einem Dreiviertel-Anteil hält. Seine ersten 15 Ferkel hat Wieland im Jahr 2015 aus Brandenburg ins Schwäbische gebracht. „Damals haben wir festgestellt, dass solch ein Transport ein Riesenstress für die Kleinen ist“, erzählt Christel Berthold. Den ursprünglichen Plan, Ferkel zuzukaufen, hat das Paar daher begraben. Stattdessen werden die sechs Muttersauen künstlich besamt und bringen nach einer Tragezeit von exakt drei Monaten, drei Wochen und drei Tagen ihren Nachwuchs in Großerlach zur Welt.
„Die Geburten sind faszinierend“, erzählt Christel Berthold: „Zwei bis drei Tage vorher bauen die Mütter einen Kessel mit Stroh. Sie wissen genau, was zu tun ist.“ In den ersten Tagen nach der Geburt der 15 bis 20 Zentimeter kleinen Ferkel sähen sie aus wie kleine Elefanten, sagt Christel Berthold.
Anfangs haben sie und Michael Wieland sich so manche Nacht im Stall um die Ohren geschlagen, nicht immer liefen die Geburten glatt. Christel Berthold hat sogar schon Ferkel wiederbelebt, die Fruchtwasser in die Nase bekommen hatten. Probleme gibt es vor allem dann, wenn die Muttertiere zu fett sind. „Seit wir sie anders füttern, geht die Geburt quasi von selbst“, berichtet Wieland.
Sechs bis acht Wochen dürfen die Ferkel bei ihren Müttern saugen, nebenbei beginnen sie, Universalfutter zu fressen – und alles, was sie sonst noch so auf der Weide finden können. Letztere wird regelmäßig gewechselt, denn die Schweinetruppe pflügt über kurz oder lang jede grüne Wiese zu einem Acker um. Auf der mehrfach umzäunten Weide stehen Futter- und Wassertröge, an denen sich die Tiere selbst bedienen können. Das tun sie – frische Luft macht hungrig.
„Freilandschweine laufen viel mehr und sind daher muskulöser als Schweine, die im Stall gehalten werden“, sagt Michael Wieland, „sie fressen aber auch deutlich mehr, nämlich etwa das Doppelte.“ Angebissene Schwänzchen oder Ohren – damit habe man hingegen dank genügend Auslauf und Platz noch nie ein Problem gehabt. Die Großerlacher Schweine sind das ganze Jahr im Freien. Im Winter legen sie sich ein dunkles, dichtes Fell zu, das gegen Kälte schützt. Im Sommer sind sie nahezu nackt, aber dank ihrer dunklen Hautfarbe gegen Sonnenbrand geschützt. Sticht die Sonne gar zu sehr, können sie sich in kleine Iglus mit Holzboden zurückziehen. „Schweine schlafen viel, gut den halben Tag“, erklärt Michael Wieland, der vor allem darauf achten muss, dass die Tiere stets genügend Wasser haben.
Wenn der Nachwuchs um die 140 Kilo wiegt, schlägt ihm die Stunde. Dann lässt Wieland die Tiere in den mit Stroh gepolsterten Anhänger steigen, den sie von früheren Fahrten kennen und fährt sie in die acht Kilometer entfernte Ortschaft Bubenorbis zum Schlachten. Weiterverarbeitet wird das Fleisch dann in der eigenen Wurstküche. Hier stellt Wieland Bierschinken, Lyoner, Leberwurst, Bratwurst und Chili-Paprikawurst her. Christel Berthold schmeißt das Vakuumiergerät an und verpackt für die Kundschaft, die sich für „Ein-Viertel-Schwein-Pakete“ entschieden hat, 20 Kilo an Hackfleisch, Gulasch, Filet, Braten, Bauch und Würsten. „Da ist alles dabei. Ein Schwein besteht halt nicht nur aus Filet“, sagt sie, und dass sie anfangs Sorge gehabt habe, ob das Fleisch gekauft werde. Das wird es, dank Mund-zu-Mund-Propaganda und Internetseite kommen die Interessenten auch von weiter her. 150 Tiere will das Paar mittelfristig pro Jahr großziehen. „Es muss Spaß machen und man muss überzeugt sein“, sagt Berthold über den Nebenerwerb, der ein Fulltime-Job ist: „Man muss immer da sein.“