In Zeiten von Social Distancing ist eine Alphornbläser-Gruppe erfinderisch geworden und spielt täglich ein kostenloses Freiluft-Konzert in den Weinbergen über Esslingen.

Kultur: Kathrin Waldow (kaw)

Esslingen - Mit seiner Länge von rund 3,86 Metern ist ein Alphorn geradezu wie gemacht für Social Distancing. Doch nicht die Größe, sondern der Klang ist entscheidend: „Früher diente das Instrument der Verständigung zwischen den Almen. Es war ein Kommunikationsmittel. Heute verwenden wir es nur noch für Konzerte. Aber man hört die Töne bei Windstille und in manchen Tälern zwei bis drei, manchmal sogar bis zu neun Kilometer weit. Niemand muss uns sehen, um uns zu hören“, sagt Eckhart Fischer.

 

Im Glockenturm einer Kirche, im Seilergang der Esslinger Burg oder in den Weinbergen rund um Esslingen und Fellbach haben die beiden Alphornbläser Eckhart Fischer und Uwe Eberspächer in den vergangenen drei Wochen bereits gespielt. „Die Ideen für neue Plätze gehen uns noch lange nicht aus“, lässt Fischer wissen. Er gehört zu der normalerweise zehnköpfigen Alphornbläser-Gruppe in Esslingen, die alle zwei Wochen gemeinsam probt.

Wie vielen anderen Gruppen und Musikern fehlen ihnen aufgrund der Corona-Verordnungen die gemeinsamen Proben und Auftritte. „Damit unsere Musik trotzdem gehört wird, haben wir uns für Freiluft-Konzerte zu zweit auf den Hügeln über Esslingen entschieden“, sagt der 63-Jährige, der auch Stücke für das außergewöhnliche Instrument komponiert.

Zweier-Gruppen sind weiterhin erlaubt, und damit es keine Menschenansammlungen wegen der Konzerte gibt, wechseln Fischer und Eberspächer täglich den Ort. Hören kann man die rund eineinhalbstündigen Konzerte in Esslingen und der Umgebung. Flankiert werden sie von eifrigem Applaus, mal von einer Dachterrasse aus, mal von vorbeikommenden Spaziergängern. Wer trotzdem zu weit weg ist, um die Alphornbläser zu hören, für den gibt es täglich Aufnahmen und Fotos in den Sozialen Medien. Die Reaktionen sind positiv, die Gruppe erhält viel Zuspruch.

Musiker wollen auf sich aufmerksam machen

Die Esslinger Alphornbläser haben dank ihrer kostenlosen und erheiternden Freiluft-Konzerte auch ein paar neue Fans gefunden. Ganz ohne Eigennutz seien die aufwendigen Auftritte jedoch nicht, wie Fischer erklärt. In seinem Hauptberuf ist der Musiker Geschäftsführer des baden-württembergischen Tonkünstlerverbands und betreut rund 2000 Musiker, die von der Corona-Krise stark betroffen sind, weil alle Termine ausfallen. „Wir raten, weiterhin in Kontakt mit möglichen Veranstaltern zu bleiben und Pläne für die Zeit danach zu machen. Auch als Musiker sollte man versuchen, aktiv zu bleiben“, sagt Fischer. Ein Rat, den er mit seinem Alphorn-Partner auch selbst befolgt. „Auch wir als Alphornbläser hoffen, dass sich die Leute nach der Krise an uns erinnern und uns dann vielleicht für ein Konzert buchen.“

Ohnehin bleibt Fischer trotz der allgemeinen Krisenstimmung positiv. Durch seine Aktivität habe er gar nicht viel Zeit, sich verrückt machen zu lassen. „Ich glaube, die täglichen Aufgaben und eine positive Einstellung sind jetzt enorm wichtig. Wir hoffen, dass wir davon etwas mit unserer Musik weitergeben können.“ Und dann weist Fischer noch auf einen Nebeneffekt der Alphornklänge hin: „Die Naturtöne sind etwas ganz Ursprüngliches und hören sich vielleicht schräg an. Das liegt jedoch daran, dass wir sie nicht gewohnt sind.“ Ihre beruhigende Wirkung sei aber auch auf Distanz zu spüren.