Das Verfahren in Den Haag und das nach rund 13 Jahren Verfahrensdauer ergangene Urteil gegen den serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj ist ein einziges Trauerspiel, kommentiert der StZ-Balkan-Korrespondent Thomas Roser.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Belgrad - Genugtuung über das überraschende Urteil im Prozess gegen den serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj kann nur der Angeklagte verspüren. Der Freispruch für einer der schlimmsten Hetzer der Jugoslawienkriege ist für die einstigen Opfer ein Schlag ins Gesicht. Das Urteil ist aber nicht nur für die als „konfus“ gerügten Ankläger eine schallende Ohrfeige, sondern für das UN-Tribunal ein Fiasko: Der Freispruch ist das blamable Ende eines fast dreizehnjährigen Trauerspiels.

 

Skandalös war die Dauer des Gerichtsverfahrens. Nach der Anklage-Erhebung hatte sich Seselj dem Tribunal gestellt. Vier Jahre verstrichen bis zum Beginn des Prozesses, vier weitere nach dessen Ende bis zum Urteil. Nach Belieben bestimmte ausgerechnet der Angeklagte das Geschehen und das Tempo des Verfahrens. Ankläger und Richter zeigten sich von seinem destruktiven Manövern völlig überfordert.

Zu Recht musste sich die Anklage vom Gericht zahlreiche Versäumnisse vorhalten lassen: Nicht stichhaltig genug habe sie die Verantwortung für die Kriegsverbrechen der von Seselj unterstützten Milizen belegt. Doch mit dem Argument, Seselj habe mit seinem Projekt eines Großserbiens politische, keine kriminelle Ziele propagiert, stellen die Richter das Tribunal in Frage: Es waren Politiker und nicht nur Waffenträger, die eine ganze Region in den Abgrund trieben.