In den Stuttgarter Wagenhallen wird das erste Veranstaltungsjahr nach zwei Jahren Umbaupause gefeiert. Dabei kann sich das Programm an diesem Wochenende sehen lassen.

Lokales: Armin Friedl (dl)

S-Nord - Die Backsteinfassade, die ganz dezente Ornamentik – das ist solide und hat etwas von einer Trutzburg. Aber dazu ist das Gebäude dann doch wieder viel zu flach. Kein Wunder, schließlich war es nie Aufgabe der Wagenhallen, Kämpfern Schutz zu bieten oder Bestandteil von militärischen Operationen zu sein. Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, wurden hier viele Jahrzehnte Lokomotiven und Eisenbahn-Waggons gewartet und repariert, dann waren es zuletzt Linienbusse. Und dann kam der Dornröschenschlaf. Und dann kamen die Künstler.

 

Das Flair der alten Industriearchitektur

Und die haben die Wagenhallen nun wieder hergerichtet: Fein, schick und modern, aber auch mit dem großen Bemühen, möglichst viel von dem Flair alter Industriearchitektur zu bewahren. Dazu war viel Geld vonnöten und viel Geduld. Seit etwa einem Jahr sind die Wagenhallen nun wieder geöffnet, die Macher von einst wirbeln heute wieder und haben für diesen Freitag und Samstag ein Festprogramm zum Einjährigen zusammengestellt, das neue Besucher anlocken soll und gleichzeitig jenen von früher zeigen soll, dass die Wagenhallen nach wie vor der Kunst- , Kultur- und Feiertreff ist, der er auch schon vor dem Umbau war.

Mit Lars Eidinger durch die Nacht

Den Auftakt zur Feier macht am Freitag von 22 Uhr an Lars Eidinger. Er ist ein Tausendsassa, der als Schauspieler auf Theaterbühnen und im Film unterwegs ist, auch als Regisseur. In den Wagenhallen ist er als DJ zu erleben, der hier auch quer durch alle Genres und durch die Nacht hindurch führen wird. Das hat er in Stuttgart schon mal gemacht im Freund & Kupferstecher. Und da war der Andrang wohl so groß, dass etliche seiner Fans die Nacht im Freien vor der Location verbringen mussten. Deshalb hier nun der größere Rahmen, übrigens in Kooperation mit Freund & Kupferstecher. Auch das ist ein Appell der Wagenhallen-Macher: Wir wollen den Schulterschluss mit anderen Kulturtreibenden in der Stadt.

Folk, Blues und gutes Essen

Der Samstag – generell bei freiem Eintritt – beginnt ab 21 Uhr mit Folk- und Bluestönen von Thomas Putze, der gleich in unmittelbarer Nachbarschaft als Künstler in der Container City aktiv ist. Und mit Steph Grace, die an Zeiten erinnert, als es noch Liedermacher und Singer/Songwriter gab. Die treten im kleinen Format, in einem Bus auf, der an der Seite der Wagenhallen steht. Und gleich daneben gibt es den Kleinen Raum, wo künftig vor und während der Vorstellungen in einem lockeren Rahmen gepflegt diniert werden kann. Denn eine große Küche gibt es jetzt auch in den Wagenhallen, die viel mehr kann als das übliche Veranstaltungs-Fast-Food.

Gegen 22.30 Uhr geht es weiter in der Halle 2 mit zwei Live-Bands: Oansno aus München, die zwar bayrisch singen, deren musikalische Wurzeln aber von viel weiter herkommen. Bayerische Balkan-Polka oder Wirtshaus-Punk nennen das manche. Grup Huub dagegen kommt aus Kirchheim/Teck, doch musikalisch sind die auch schon um einiges weiter rumgekommen. Die Nachtschicht beginnt mit DJ Jens O Matic und ab 23 Uhr in Halle 3 mit der Party „Love Of Confusion 1965 bis 1975“. Dazu gibt es eine „60‘s Analog Psychedelic Liquid Light Show“. Denn vor der Zeit, als es noch keine Power-Point-Präsentationen gab, wurde mit Tageslichtprojektoren gearbeitet, und die kommen hier zum Einsatz.

Veranstaltungen wie vor dem Umbau

„Wir wollen mit diesem Programm zeigen, was die Wagenhallen alles können. Und wir wollen zeigen, dass wir nicht nur Veranstalter von großen Events sind, die hier in Stuttgart eine Tourstation machen. Wie vor dem Umbau pflegen wir unseren eigenen Stil genauso wie vor dem Umbau, und das sind keineswegs nur die großen Namen“, so Stefan Mellmann, einer der drei Geschäftsführer der Wagenhallen.

In der Tat hat Stuttgart mit den Wagenhallen einen weiteren für Veranstaltungen mit mehr als 2000 Besuchern. 30 Millionen Euro hat die Stadt dafür locker gemacht. Doch das wenigste ist davon in den Veranstaltungsbereich geflossen, so Mellmann: „Damit wurde das Gebäude saniert, damit wurde das gesamte Areal erschlossen. Dazu gehören die Tangoschule, der Kunstverein, die Container-City“. Dass es hier wie an diesem Wochenende an allen Ecken und in verschiedenen Hallen singt und klingt, dafür stand laut Mellmann gerade mal ein einstelliger Millionenbetrag zur Verfügung. „Ein weiteres Drittel haben mein Partner Thorsten Gutbrod und ich selbst finanziert“, so Mellmann. Kraft dieser Eigeninitiative sehen sie sich auch nicht als Konkurrenz zu anderen Kultureinrichtungen, sondern als Kooperationspartner mit vielen eigenen Ideen. Gemeinsam geht eben mehr.

Ein Dach vor dem Haupteingang

Nach zwei Jahren Umbaupause sind nun alle Architektenpläne abgearbeitet, „alles funktioniert perfekt“, so Mellmann. Einige Wünsche bleiben: Für die Künstler soll noch deren Bereich hinter der Bühne vergrößert werden. Im August nächsten Jahres soll der eingeweiht werden. Und ein größeres Vordach vor dem Haupteingang soll noch her. „Unser Foyer ist nicht sehr groß. Und es gibt hier weit und breit keine Unterstellmöglichkeiten bei Regen“, so Mellmann.