Sie ist ein Mythos, umwoben von Legenden mit Gruseleffekt: die Legion étrangère, die Fremdenlegion. Geheimnisumwittert und, denkt der Ahnungslose, weit weg. Und dann trifft man auf diesen Mythos plötzlich ganz in der Nähe.

Ostfildern - Die Herren sind vollzählig angetreten. Zehn Mann hoch, „im Tenue mit Dekoration“, beschreibt Dieter Mast flapsig die Garderobe: das blaue Jackett mit Orden und Ehrenzeichen für Tapferkeit vor dem Feind und vor allem mit dem Abzeichen der Legion, der siebenflammigen Granate auf Rot und Grün, die auch die Krawatte ziert. Und dazu das Béret vert, das grüne Barrett. „Einmal Legionär, immer Legionär“, sagt Mast. Verbunden bis zum Tod in der Amicale des Anciens de la Légion étrangère, der Kameradschaft der Veteranen, und im Zeichen von Ehre und Treue, dem Motto der Legion. Auch wenn sie, wie alle hier, nur die fünf Jahre der ersten Verpflichtung abdienten: Ihre Kennnummer, die Matricule, können sie alle im Schlaf hersagen – auf Französisch.

 

Dieter Mast ist Präsident der Stuttgarter Amicale, die sich im Lokal von Remy Butterlin in Nellingen trifft. Und schuld daran ist der ehemalige OB Manfred Rommel: „Ich habe oft für Empfänge im Rathaus gekocht“, erzählt Butterlin. Da habe ihm Rommel diese Veteranen ans Herz gelegt. Mit der Bitte, sie auch nach seinem Tod nicht im Stich zu lassen. Aus Dankbarkeit vermutlich. „Die Fremdenlegionäre haben nach dem Zweiten Weltkrieg Stuttgart befreit“, ruft Mast in Erinnerung. Zusammen mit der regulären französischen Armee natürlich.

„I ben halt ganga“ – ohne eine Spur von Pathos oder Dramatik

Die Abenteuerlust der jungen Männer beflügelten die exotischen Kriegsschauplätze Indochina (1945-1954) und Algerien (1954-1961), wo Frankreich gegen Unabhängigkeitsbewegungen seiner Kolonien kämpfte. Nichts wie weg aus der trostlosen Enge im Nachkriegsdeutschland, das noch in Trümmern lag, wollte auch Hans-Dieter Schurr, mit 83 der Älteste in der Runde. 1953 hatte er keine Lust mehr aufs Knechtsein in der elterlichen Landwirtschaft in Waiblingen: „I ben halt ganga“, sagt er – ganz lakonisch, ohne eine Spur von Pathos oder Dramatik.

Ebenfalls mit 18 ist Dieter Mast (77), aufgewachsen im Stuttgarter Westen, zur Fremdenlegion gegangen. Warum? „Ach, wie’s so geht: Vater gefallen, Mutter hat wieder geheiratet“, offenbar passte alles irgendwie nicht richtig. Da habe eine Hetzschrift noch von den Nazis, die ihm in die Finger gefallen sei, gerade das Gegenteil bewirkt.

Haben sie Gefahr und Risiko ignoriert? Auf diese Frage kriegt man keine Heldensagen zu hören. Keine Geschichten von Härte, Grausamkeit und Schleifen bis zum Sadismus. Nur ein Schulterzucken. Soll heißen: Krieg ist Krieg. Und was zählt, ist dies: „Wir haben gute Erinnerungen, und wir haben es überlebt“, heißt es. Das Überleben war nicht selbstverständlich: In Indochina sind 9000 Fremdenlegionäre gefallen, in Algerien waren es 1400. Aber vom Sterben reden die Veteranen beim Stammtisch nicht. Umso mehr über die Organisation und Gestaltung der vielen Gedenkfeiern für die Toten. In Verdun zum Beispiel. Aber auch am Truppenübungsplatz im nahen Münsingen. Ist denn keiner dabei, der zur Legion türmte, weil er in Deutschland was ausgefressen hatte? So heißt es doch immer. „Alles Schauermärchen“, ruft Günther Fauner (80) dazwischen: Er habe in Straßburg jeden Abend erlebt, dass solche Aspiranten abgelehnt und zur Grenze zurückgebracht wurden. Wo die deutsche Polizei, vorher informiert, schon wartete. Denn bei jedem Bewerber wird im Heimatland dessen Strafregister erfragt.

Auf dem Muroroa-Atoll zur Bewachung des Kernwaffen- und Raketen-Testgeländes

Auch Bruno Ackermann, mit 61 Jahren der Jüngste im Bunde, hatte nichts auf dem Kerbholz, als er mit der Schultasche aus dem Haus ging und die Eltern über sein Ziel im Dunkeln gelassen hatte. Er war auf dem Muroroa-Atoll im Südpazifik zur Bewachung des Kernwaffen- und Raketen-Testgeländes eingesetzt. Und im Dschungel von Guayana gegen illegale Goldsucher. Ackermann gibt zu, dass die Rückkehr ins bürgerliche Leben schwergefallen sei: Da habe er öfter bei der Polizei übernachten müssen, weil er Konflikte gern handgreiflich löste.

Der Mythos von Männern mit dunkler Vergangenheit kommt aber nicht von ungefähr: „Früher war der schlechte Ruf der Legion begründet“, meint Mast. Darum habe sie erst 1939 zum ersten Mal bei der Militärparade zum 14. Juli auf den Champs-Élysées mitmarschieren dürfen. Heute dienen Freiwillige aus 150 Nationen in der Légion étrangère, Deutsche sind kaum mehr darunter. Die Legion, erklären die Veteranen, ist immer ein Spiegelbild der politischen Umstände: Nach dem Aufstand von 1956 kamen viele Ungarn, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Männer aus dem Ostblock, heute seien es vor allem Asiaten, die in Mali, Zentralafrika und im Tschad kämpfen.

Einmal Legionär, immer Legionär: Für Mast waren diese fünf Jahre „prägend fürs Leben“. Darüber hinaus: Nachdem ihn seine Kinder davon abhielten, nach dem Tod seiner Frau in eines der beiden Altenheime, die die Legion in Südfrankreich betreibt, umzuziehen, will er wenigstens dort beerdigt werden. Die Grabstätte ist reserviert.