Die in Korntal-Münchingen aufgewachsene Angela Wehrmann darf wenige Wochen nach ihrer Stammzellen-Transplantation heim. Am Dienstag war es soweit. Für die Ärzte ist die 32-Jährige ein kleines Wunder.

Korntal-Münchingen/Tübingen - Höhen und Tiefen hat Angela Wehrmann in den vergangenen Monaten viele durchlebt. Jetzt hat die 32-Jährige Grund zur größten Freude. Das genaue Gegenteil war Mitte März der Fall gewesen, als die junge Frau die erschütternde Diagnose akute lymphatische Leukämie erhielt, eine Form von Blutkrebs.

 

„Die Ärzte sagen, ich sei geheilt“, schreibt die in Korntal-Münchingen aufgewachsene junge Frau am Dienstagmittag unserer Zeitung. Und dass sie endlich nach Hause dürfe – dauerhaft und nicht mehr nur auf Zeit. Angela Wehrmann lebt mit ihrem Mann Johannes und ihren zwei kleinen Söhnen in Rangendingen (Zollernalbkreis), wo sie vor acht Jahren von Korntal hingezogen ist. Das letzte halbe Jahr hat sie größtenteils im Uniklinikum Tübingen verbracht. Diese Zeit dürfte Angela Wehrmann als die bislang schlimmste ihres Lebens verbuchen. „Ich kann das alles noch gar nicht fassen“, sagt sie.

Matt wie bei einer Grippe

Wie vor der Diagnose Blutkrebs wird Angela Wehrmanns Leben zunächst nicht sein, zumal die Transplantation keine vier Wochen zurückliegt. Sie fühle sich so matt, als habe sie eine Grippe, berichtet Angela Wehrmann. Nach der Transplantation habe sie zwei Wochen lang geschlafen oder gespuckt, bis vor Kurzem wurde sie über eine Sonde ernährt. Im Krankenzimmer war sie anfangs isoliert. Seit gut einer Woche darf Angela Wehrmann nach draußen, jedoch nur mit Mundschutz, Menschenmassen muss sie meiden. Jeder Infekt kann tödlich für sie enden, zu geschwächt ist ihr Körper noch. „Zuhause muss alles ganz steril und sauber sein“, sagt Angela Wehrmann. Vor ihrer Rückkehr haben Familie und Freunde deshalb die Wohnung penibel gereinigt und desinfiziert. Medikamente muss Wehrmann auch nehmen. Sie verhindern, dass der Körper die neuen Stammzellen abstößt.

Im sozialen Netzwerk Instagram dokumentiert Angela Wehrmann ihren Kampf gegen den Krebs.

Während diese durch ihren Körper geflossen sind, habe Angela Wehrmann Erleichterung gespürt. Ein erster Termin für die Transplantation war zunächst abgesagt worden, weil der Spender auf einmal nicht abrufbar war. Er war krank. Der zweite Anlauf klappte dann. „Ich wusste, dass in dem Augenblick mein Leben gerettet wird“, beschreibt die 32-jährige Lehrerin und Fitnesstrainerin jenen Moment.

Die Transplantation betrachtete sie gleichwohl als eine weitere Hürde im Kampf gegen den Krebs. Schließlich wusste zu diesem Zeitpunkt keiner, ob und wie ihr Körper darauf reagiert. Es zeigte sich: besser, als erwartet. „Die Transplantation schlug sehr schnell an. Bereits am elften Tag sind die neuen Zellen gewachsen. Ihre Zahl ist förmlich explodiert“, sagt Angela Wehrmann. Nicht nur deshalb ist die junge Frau für die Ärzte ein kleines Wunder. „Ich bin krebsfrei in die Transplantation gegangen, was unüblich ist“, sagt sie. Überhaupt sei der Krebs vergleichsweise rasch besiegt gewesen. Doch ohne Transplantation wäre die Krankheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent wiedergekommen.

Die Angst vor einem Rückfall ist allgegenwärtig

Derzeit ist Wehrmann glücklich, aber auch depressiv, wie sie sagt. Die starken Schmerzmittel während der Chemotherapien hätten eine aufmunternde Wirkung gehabt. Außerdem nagt immer ein wenig die Angst an ihr. „Der Krebs kann jederzeit wiederkommen“, weiß Wehrmann. Sie bleibe skeptisch.

Trotz aller Strapazen bezeichnet sie die letzten fünf Monate als „machbar“. In einer Art Tagebuch mit Fotos und Videos im sozialen Netzwerk Instagram beeindruckte sie Tausende Nutzer mit ihrem Optimismus. „Die Krankheit hat meinen Mann und mich enger zusammengeschweißt“, sagt Angela Wehrmann heute. Sie hätten so viel Zeit miteinander verbracht wie seit der Geburt des ersten Sohnes nicht mehr.

In wenigen Wochen wird Wehrmann Knochenmark entnommen. Erneut. Dieses Mal soll das Ergebnis der Untersuchung aber ein weiterer Beweis dafür sein, dass sie den Krebs besiegt hat. Eine der letzten Hürden auf dem Weg zurück ins Leben.

Stammzellspender gesucht

Registrierung
Etwa 123 000 Menschen in Deutschland haben laut DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei in Tübingen, www.dkms.de) Blutkrebs. Rund 3000 brauchen jedes Jahr einen Spender. „Genetische Zwillinge“ haben fast die gleichen Gewebemerkmale. Um Stammzellen zu spenden, registriert man sich. Mit einem Wattestäbchen wird ein Abstrich der Mundschleimhaut genommen. Die Ergebnisse werden anonym für die weltweite Spendersuche bereitgestellt.

Datei Die DKMS betreibt die weltweit größte Spenderdatei – mit gut acht Millionen potenziellen Spendern, davon etwa 5,5 Millionen in Deutschland. Insgesamt sind rund 32 Millionen Menschen registriert. Die Wahrscheinlichkeit, je zu spenden, liegt bei einem Prozent. Die Stammzellen werden in der Regel aus dem Blut gewonnen – seltener wird Knochenmark unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm entnommen. Neun von zehn Patienten in Deutschland finden einen Spender.