Freudental im Kreis Ludwigsburg Wie aus einem Schloss eine Klinik wurde

Eher Hotel- als Klinik-Anmutung: das Interieur im Schloss. Foto: /Jürgen Bach

Saniert und aufgemöbelt: Im Freudentaler Schloss nimmt die Akutklinik für psychische Erkrankungen im März ihren Betrieb auf. Mit einer normalen Klinik ist sie nicht zu vergleichen.

Freudental - Auch wenn der Rundgang durchs aufwendig sanierte, mit allem Komfort ausgestattete Freudentaler Schloss (Kreis Ludwigsburg) erst einmal einen anderen Eindruck erweckt: „Wir sind kein Luxus-Medical-Spa. Chichi liegt uns fern“, sagt Matthias Bühler, Vorsitzender der Bühler Healthcare AG. „Wir sind eine normale psychiatrische Klinik. Aber wir setzen zur Heilung von seelischen Erkrankungen auch auf die Kraft von geomantischen Orten.“ Mit dem alten Freudentaler Schloss, in dem Mitte März die ersten Patienten eintreffen, habe man einen solchen Ort mit heilsamer Aura gefunden – mit seinen individuellen Räumen, pittoresken Nebengebäuden, dem Park und den Seen.

 

Einen „ordentlichen zweistelligen Millionenbetrag“ investierte die Bühler Healthcare AG nach Aussage von Silke Reichmann, um das Schloss – zuletzt in Privatbesitz, als Veranstaltungsort und für Trauungen genutzt – umzumodeln. Silke Reichmann und Matthias Bühler sind die Geschäftsführer der privaten Libermenta Kliniken, deren Akutklinik in Freudental die zweite nach Schloss Gracht bei Köln ist. Bald soll eine dritte Klinik in Tremsbüttel bei Hamburg eröffnet werden.

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Wer wird in Freudental künftig behandelt?

„Wir sondieren auch Standorte bei München, Frankfurt und Berlin“, sagt Matthias Bühler. Mit Universitäten kooperieren, hochkarätige Professoren gewinnen und kompetentes Personal finden zu können, sei für die Standortwahl in Großstadtnähe ein zentraler Faktor – neben passenden Schlössern, erklärt der promovierte Betriebswirt und Sohn der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz. Bis zu 100 Patienten können in der Klinik für psychodynamische Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Sportpsychiatrie künftig behandelt werden, es gibt 84 Betten in 69 Einzel-, Doppel- oder Mehrbettzimmern, aber auch ambulante Therapieplätze in der Tagesklinik.

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Wer dort Hilfe bekommen wird? „Vor allem Menschen mit Angststörungen, Depressionen, Alkohol-, Tabletten- und Spielsucht oder mit Essstörungen“, berichtet Isa Sammet. „Es sind Menschen wie du und ich, vom Unternehmer, der durch Corona in seiner Existenz bedroht ist, bis zur Polizistin, die Bilder von einem schlimmen Unfallort nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Es ist höchste Zeit, Menschen mit solchen Erkrankungen nicht mehr zu stigmatisieren.“ Die Diplom-Psychologin, Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychiatrie wird die Freudentaler Klinik leiten. Derzeit hält sie Ausschau nach einer Bleibe am neuen Wirkungsort. Die Klinik mit ihren „wunderbaren Arbeitsmöglichkeiten“ habe sie dazu bewogen, „in schon etwas fortgeschrittenem Alter noch einmal zu wechseln, sagt sie. Mit Kollegen, die sich kennen und „wissen, wie wir als Team ticken“, mit wissenschaftlich fundierten Verfahren, Respekt und Behandlungskontinuität werde man den Patienten helfen, Ressourcen zu stärken und Wege aus der Krise zu finden. Dafür biete Freudental einen sicheren, behüteten Ort.

Jedes Zimmer hat seine eigene Note

Die gängige Klinik-Anmutung sucht man vergebens: Alle Zimmer sind mit einer eigenen Note eingerichtet, sie gleichen ebenso wie die Therapie- und Begegnungsräume mit ihren Lüstern, Ornamenttapeten und alten Bildern an den Wänden eher einem Sterne-Hotel als einer Krankenstätte. Projektentwicklerin Sabine Schneider zeigt, wie die alten Nebengebäude in Absprache mit dem Denkmalschutz ins Konzept eingebunden wurden: In der sanierten Kutschenscheune etwa stehen jetzt Sportgeräte; unter Glas liegen noch die alten Pflastersteine. „Das Gebäude war so marode“, sagt Schneider, „es wäre wohl demnächst eingestürzt.“ Im früheren Hühnerhaus zieht die Musiktherapie ein, in der einstigen Kegelbahn werden eine Boutique und eine Bücherei untergebracht.

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Die Freudentaler können das wachgeküsste Schloss beim Tag der offenen Tür Mitte Mai besichtigen, auch öffentliche Kultur- oder Vortragsveranstaltungen sind geplant – man will mit der Kommune in Kontakt sein. „Wir haben sowieso gefühlt halb Freudental eingestellt“, scherzt Silke Reichmann. In der Tat: Die Klinik sei jetzt der größte Arbeitgeber im Ort, sagt Bürgermeister Alexander Fleig; auch durch die Anbindung ans örtliche Nahwärmenetz sei sie ein Wirtschaftsfaktor. Ob in der Pflege, in der IT, im Service: Viele Einheimische haben dort Jobs gefunden.

Wegen Corona: Riesige Bugwelle von Patienten

Derzeit seien die Libermenta Kliniken noch im Verlustbereich, „aber wir werden den Break-Even-Point bald erreichen“, ist sich Matthias Bühler sicher. Er sieht sich mit dem ganzheitlichen Konzept zur Bewahrung und Wiederherstellung der seelischen Gesundheit als Vorreiter. Ein Wohlfahrtsunternehmen sei man aber nicht. Zielgruppe sind Privatversicherte, Beihilfeberechtigte, Zusatzversicherte oder Selbstzahler. „Wir sind aber auch mit Krankenkassen im Gespräch“, sagt Bühler. Alexander Conz, stellvertretender Klinikdirektor, sagt: „Wir schieben in Deutschland, erst recht seit Corona, eine riesige Bugwelle von Patienten vor uns her, die wir nicht ordentlich therapiert bekommen.“ Jeder weitere Therapieplatz, mit dem man den Mangel abfedern könne, sei ein Gewinn.

Wer und was wird in Freudental therapiert?

Was behandelt wird
 Behandlungsfelder sind Depressionen, Biopolare Störung, Essstörung, Zwangsstörung, Burn-out, Traumafolgeerkrankungen, Somatoforme Störung, Dissoziative Störung, Schlafstörung, ADHS, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörung, Angststörung, Suchterkrankungen. Eine geschlossene Station gibt es nicht, es gibt eine Kooperation mit der Ludwigsburger Klinik.

Wie therapiert wird
 Es kommen Psychotherapie (Psychodynamische Psychotherapie, Trauma-, Verhaltens-, Familien-, Paartherapie, Kognitive Verhaltenstherapie, Systemische Therapie), Pharmako-, Präsenz-, Sport-, Bewegungs-, Naturtherapie, Konzentrative Bewegungstherapie, Ernährungs-, Licht-, Musik- und Kunsttherapie, Entspannungsverfahren und Yoga zum Einsatz.

Wo geheilt wird
 Das Jagd- und Lustschloss wurde 1729 erbaut und wechselte mehrfach Besitzer und Funktion.

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