Seit 2001 sind die Besenwanderer vom Zipfelbach fast jeden Donnerstag gemeinsam unterwegs. Mittlerweile bevorzugen die Rentner allerdings Kurzstrecken wegen ihres fortgeschrittenen Alters – und weil ihnen das gesellige Beisammensein im Besen wichtiger ist als das Naturerlebnis.

Die Aussicht im Bürger Besen ist grandios. Aber Rudolf Schmidtke, Artur Götzel und die vier anderen Herren haben erst keinen Blick dafür. Das liegt nicht nur daran, dass sie schon häufiger hier waren. Aber bevor sie es sich nach ihrer 999. Wanderung gemütlich machen, muss der rot-goldene Wimpel auf den Tisch, der sie als Besenwanderer vom Zipfelbach ausweist.

 

Die Farben haben die Männer vom Schwaikheimer Wappen übernommen, auf dem zwei goldene Stäbe auf rotem Grund zu sehen sind. Die Gemeinde ist schließlich die Keimzelle ihrer Bewegung, die sie nun schon seit 2001 von Besen zu Besen führt. Zu neunt waren sie einmal. Ein Gruppenfoto mit allen ziert die Vorderseite des Wimpels. Mittlerweile sind zwei davon nicht mehr unter ihnen, und einer ist nicht mehr gut zu Fuß. „Er fährt aber zu den Besen in der Nähe mit dem Auto“, sagt Rudolf Schmidtke.

Corona hat die Besenwanderer nur kurz ausgebremst

Immer donnerstags sind sie unterwegs. Auch Corona hat sie nur kurz ausgebremst. „Als die Besen wieder offen hatten, sind wir auch wieder los“, sagt Rudolf Schmidtke. Er ist mit 84 Jahren der Älteste in der Gruppe, marschiert schon seit 2002 fleißig mit und ist seit 15 Jahren Wanderführer und für die Organisation der Touren verantwortlich. Die Wanderungen seien allerdings längst nicht mehr so lang wie früher. „Wir laufen maximal noch eine Stunde bis zur Einkehr.“

Bei der Premiere vor fast 22 Jahren, am Donnerstag, 26. April, marschierten die Besenwanderer vom Zipfelbach von Bittenfeld in den Besen Escher nach Schwaikheim. Mehr als 450 verschiedene Besenwirtschaften und Weinstuben haben sie seitdem besucht. Viele davon mehrmals. Und sie sind nicht nur im Rems-Murr-Kreis unterwegs, sondern auch im Hohenlohischen rund um Heilbronn, im Bodenseeraum und am Hochrhein. „Und in Miltenberg am Main waren wir in einer Heckenwirtschaft“, sagt Rudolf Schmidtke. Aber im Rems-Murr-Kreis und der Region gebe es keinen Besen, in dem sie noch nicht waren. „Wir sind Besenexperten.“

Vergangenes Jahr sind die Besenwanderer 44-mal eingekehrt, unter anderem im Besen Maier in Schwaikheim, bei Lausterers in Schmiden, in der Besenstube in Kirschenhardthof oder bei Luckerts in Winnenden. Dem Dreimädelhaus in Uhlbach haben sie einen Besuch abgestattet, ebenso dem Weindorf. „Da saßen wir in der Laube der Besenfamilie Schmieg“, sagt Rudolf Schmidtke.

Die Männer zwischen 77 und 84 Jahren fahren fast immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Startpunkt ihrer Wanderung, und nach der Einkehr mit Bussen und Bahnen wieder heim. Das Wetter spielt keine Rolle. Nur die Feiertage lassen sie aus. Dass Besen zu ihren bevorzugten Lokalen zählen, habe sich ergeben, erzählt Rudolf Schmidtke. Zum einen sei es dort preisgünstig, gemütlich, locker und freundlich. „Zum anderen sind Besen um die Mittagszeit zuverlässig geöffnet.“ Weil viele Besen aber oft nur sporadisch und meist nur wenige Wochen im Jahr geöffnet sind, gehen die Rentner ausnahmsweise auch mal in Gasthöfe.

Die Gattinnen machen donnerstags Damenprogramm

Die Gattinnen haben sich längst mit den Wander-Donnerstagen arrangiert und machen ihrerseits Damenprogramm: Hausputz, Friseurbesuche und Einkaufstouren. „Und einmal im Jahr treffen sie sich auch, um gemeinsam was zu unternehmen“, sagt Rudolf Schmidtke. Die Männer tragen ihre besseren Hälften zudem bei ihren Ausflügen immer mit. Ein Gruppenbild ihrer Frauen ziert von jeher die Rückseite des Besenwanderer-Wimpels. „Unter unserem alten Wimpel stand noch der Satz: Vogelfrei am Donnerstag“, sagt Schmidtke und grinst.

Auch wenn die Touren kürzer sind, eines ist geblieben. Es wird viel geschwätzt: über Fußball, Politik, Gott und die Welt. Und noch immer trinken sie – zumindest, wenn sie in schwäbischen Gefilden unterwegs sind – am liebsten Trollinger mit Lemberger, ab und an auch mal einen Schwarzriesling. Das Mittagessen ist ebenso wichtig. Im Bürger Besen, der zu dieser frühen Stunde gut gefüllt ist, gibt es am Donnerstag Rostbraten als Tagesessen. Nur Artur Götzel schert aus und hat auch noch Sonderwünsche, denn er möchte „eine Feuerwurst und eine Bratwurst“.

In der nächsten Woche machen sie ihre 1000. Tour. Das Ziel steht fest, es geht in den Besen Kelterbergstube nach Kleinaspach. Und auch dort wird Rudolf Schmidtke als Erstes den rot-goldenen Wimpel auspacken.

Die Besenwanderer vom Zipfelbach in Schwaikheim

Der Ursprung
Die Ursprünge liegen im Jahr 2001, als die Freunde Artur Götzel und Kurt Straub beschlossen, nach Beginn ihres Ruhestands einmal die Woche zu wandern. Binnen vier Jahren stießen nach und nach mehr Bekannte und Freunde, die Neurentner wurden, dazu, sodass die Gruppe auf neun Wanderer anwuchs. Ihren Namen verdankt die Männerwandergruppe dem kleinen Fließgewässer in Schwaikheim, dem Ort, der so etwas wie die Keimzelle ihrer Bewegung ist. Nur einer der mittlerweile noch sechs Wanderer lebt nicht dort.

Die Gruppe
Die Besenwanderer sind fast jeden Donnerstag in Württemberg und auch mal über die Grenzen hinaus unterwegs, um Land, Leute und Weine zu entdecken. Wanderführer ist seit 2008 der 84-jährige Rudolf Schmidtke aus Schwaikheim. Er ist verantwortlich für die Organisation der Ausflüge, die sie fast immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln unternehmen.