Freitag für Freitag streiken europaweit Schüler für durchgreifende Maßnahmen gegen den Klimawandel. Die Uni Konstanz hat die Teilnehmer nun befragt. Das Ergebnis: Hier wächst eine neue Generation heran, die keineswegs nur daddeln kann.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - „Den Jugendlichen geht es ja nicht ums Klima. Die wollen nur schwänzen.“ Erwachsene, die so etwas behaupten, sprechen möglicherweise mehr über sich selbst als über die Schüler, die auch diese Woche wieder deutschlandweit zu tausenden beim „Friday for Future“ auf die Straße gehen. Dieses Urteil legt eine Studie der Universität Konstanz nahe, die erstmals die Beweggründe der Schulstreik-Aktivisten wissenschaftlich untersucht hat.

 

„Die junge Generation ist politisch, wissbegierig und idealistisch“, fasst der Soziologe Sebastian Koos vom Exzellenzcluster „Politische Dimension von Ungleichheit“ der Uni Konstanz die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe zusammen. Dies gelte keineswegs nur für die Organisatoren der Klimastreiks. Als vor zwei Wochen bis zu 2000 Schüler durch Konstanz zogen, ließ Koos seine Studenten ausschwärmen. 145 Teilnehmer wurden befragt. Man habe jeden Zehnten aktiv angesprochen. Die Gummibärchen, die als Belohnung für das Ausfüllen der Fragebögen gedacht waren, seien gar nicht nötig gewesen, berichtet die Studentin Franziska Lauth: „Die Schüler waren froh, dass mal jemand nachhakt und wirklich fundiert wissen will: Wer seid ihr eigentlich, woher kommt ihr, warum macht ihr das?“

Mädchen prägen den Protest

Demnach sind die Befragten zwischen elf und 27 Jahre alt. Die größte Kohorte stellen mit 38 Prozent die Neunt- und Zehntklässler, wobei vor allem die Mädchen mit einem Anteil von 62 Prozent die Proteste prägen. Bei 59 Prozent der Teilnehmer handele es sich um Gymnasiasten. 94 Prozent seien fest davon überzeugt, dass sie mit ihrem Protest etwas bewegen können. Dabei ist der Klimawandel für sie schon lange ein existenzielles Thema. 82 Prozent sagten, sie hätten sich auf eigene Faust und schon vor den Demos informiert. Konsequenz ist den Jugendlichen wichtig. 65 Prozent wollen auf Flugreisen verzichten. Nur zehn Prozent sind dazu nicht bereit, der Rest ist noch unentschieden.

Nachdem in Bremen und Berlin inzwischen vergleichbare Befragungen sehr ähnlichen Ergebnisse erbracht hätten, glaubt Koos, dass sich seine Erkenntnisse für ganz Deutschland verallgemeinern lassen. „Hier wächst eine politische Generation heran, die keineswegs nur auf dem Handy daddelt, sondern die sich friedlich engagiert und die sich ausgezeichnet selbst organisieren kann.“ Auch das Vorurteil, die Kinder seien von Mama und Papa zum Demonstrieren geschickt worden, fanden die Wissenschaftler widerlegt. „Unsere Umfrage zeigt, dass die Mobilisierung vor allem in der Schule (45 Prozent), über Freunde (60 Prozent) und über Aufrufe in den sozialen Neztwerken (75 Prozent) geschieht“, so Koos.

Der Greta-Effekt

Dass die Bewegung bald wieder in der Versenkung verschwinden könnte, glaubt er nicht. „Das bleibt uns länger erhalten“, sagt Koos, der erstaunt feststellte, dass viele Jugendliche bereits erfahrene Demonstranten sind. 40 Prozent gaben an, dass sie nicht zum ersten Mal protestierend auf die Straße gegangen seien.

Im Schulstreik nach dem Vorbild der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg sähen die Jugendlichen eine wirksame Protestform. Dafür nähmen sie auch Strafarbeiten und Nachsitzen in kauf. Mehr als ein Drittel rechne mit Sanktionen. Trotzdem wollten 80 Prozent an diesem Freitag wieder kommen. In Konstanz beginnt die Demo dann übrigens erst nach Schulschluss um 13.30 Uhr. Denn ums Schuleschwänzen, das versicherten 90 Prozent, gehe es ihnen gar nicht.