Filderstadt hat eine eigene Fridays-for-Future-Gruppe, diese demonstriert aber verhältnismäßig selten. Ist die Luft schon wieder raus? Zwei Mädchen erzählen, was es bedeutet, den Widerstand ohne die Hilfe von Erwachsenen zu organisieren.

Filderstadt - Was haben Jugendliche in ihren Jackentaschen? Handy? Kaugummis? Celina Wittel kruschtelt ganz andere Dinge hervor. Einen Stapel Aufkleber, das Manuskript einer Rede, die sie jüngst gehalten hat, und zwei Zeitungsartikel über Greta Thunberg. Die 15-Jährige aus Plattenhardt hat diese Dinge nicht ohne Grund dabei. Die Schülerin ist Mitglied bei Fridays for Future in Filderstadt. Sie und ihre Freundin Sigrun Jäckle (16) aus Bonlanden engagieren sich in der Jugendgruppe für eine nachhaltigere Klimapolitik.

 

Die Mädchen gehen auf die Straße, halten Ansprachen, verteilen Infomaterial, werben bei Klassenkameraden für Plastikvermeidung und kooperieren mit der Umweltschutz-AG an ihrer Schule, dem Elisabeth-Selbert-Gymnasium. Sie diskutieren über die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die Leistungen der Groko. „Ich will von den Politikern ernst genommen werden. Ich habe das Gefühl, dass das nicht überall so ist“, erklärt Celina Wittel.

In Stuttgart waren 10 000 auf der Straße, in Filderstadt 70

Seit April ist auch Filderstadt Teil der weltweiten Fridays-for-Future-Bewegung. Mit dem, was in Stuttgart läuft, können die Aktivisten hier jedoch nicht mithalten. Während in der Landeshauptstadt bei der globalen Klimademo Ende November laut Veranstalter 10 000 Teilnehmer auf die Straße gingen, waren es in Filderstadt um die 70 Personen. 300 Leute seien bisher das Maximum gewesen. Gestreikt wird am Bernhausener Bahnhof auch längst nicht jeden Freitag. Vier Veranstaltungen zählen die Mädchen seit dem Frühjahr auf. Ist die Luft schon wieder raus?

Nein, versichern beide. Doch die Strukturen sind anders. In der etwa 15 Personen starken Gruppe sei gerade mal eine Volljährige. Plakate und Flyer verteilen, Aktionen organisieren, erwachsene Ordner akquirieren: Die Minderjährigen machen alles allein. Erwachsene Unterstützer wie Parents oder Campus for Future gibt es nicht. Zwei Monate Planungszeit brauche es da pro Veranstaltung. Jede Woche streiken? Unmöglich.

Die Filderstädter Demos sind bewusst nachmittags, damit der Schulschwänzer-Vorwurf gar nicht erst aufkommt. Celina Wittel weiß allerdings von Fällen, bei denen die Eltern ihren Kindern verboten haben, zu den Treffen zu kommen. Sigruns Mutter Sylvia Jäckle hat dafür kein Verständnis. „Ich finde es schade, dass man Schüler ausbremst.“ Sie lobt die Selbstständigkeit der Teenager, „da kann man durchaus stolz drauf sein“.

Viele waren noch nie bei einer Demo

Manches passiert im Hintergrund. So haben die Jugendlichen bereits bei einer Upcycling-Aktion Vogelhäuser aus Tetra Paks gebastelt oder sich zur Kleidertauschparty getroffen. Einmal sind sie zudem kollektiv zum Müllsammeln ausgerückt. „Es ist nicht immer alles laut“, sagt Celina Wittel. Immerhin: Laut einer Umfrage des Nachrichtenmagazins Spiegel und des Meinungsforschungsinstituts Civey gaben 54 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, sich häufig mit der Klimakrise auseinanderzusetzen, gleichzeitig bekannten knapp 54 Prozent, noch nie bei einer Demo gewesen zu sein. Nur 4,5 Prozent erklärten, an fünf oder mehr solcher Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Dabei betonten Dreiviertel der Befragten, persönlich etwas für die Umwelt zu tun.

Das Filderstädter Duo jedenfalls engagiert sich auch abseits. Die Zehntklässlerin Celina kandidierte jüngst für den Jugendgemeinderat, verpasste den Einzug ins Gremium aber. Sigrun, Klasse elf, bringt sich in der SMV ein. Was es heißt, Gegenwind zu bekommen, haben sie längst gelernt. „Auf Demos muss man mit dem Stinkefinger rechnen“, stellt Celina Wittel klar. In sozialen Netzwerken seien die Kommentare noch fieser, „Facebook ist da ganz vorne dabei“. Die Mädchen wollen sich jedoch nicht beirren lassen. Konkrete Ideen für 2020 gibt es noch nicht, doch „wir werden weitermachen“, betont Sigrun Jäckle.