Während die Bundesregierung um eine Klimastrategie ringt, streiken auch in Ludwigsburg zahlreiche Schüler und Erwachsene für das Klima. Die Demonstranten sind laut und bester Stimmung – die Resonanz bei den Zuschauern ist geteilt.

Politik: Lisa Kutteruf (lis)

Ludwigsburg - Fünf vor zwölf in Ludwigsburg. Während die Glocken der Friedenskirche läuten, wuseln Kinder, Jugendliche und Erwachsene über den Busbahnhof. Sie reden, lachen, halten Pappschilder in die Luft. Auf einem ist ein Eisbär abgebildet. Darunter steht „Where is my planet?“ Wo ist mein Planet? Es ist bunt und laut. Musik einer globalisierungskritischen Rockband aus Schweden schallt über den Platz.

 

Markus Moskau steht unterdessen auf den Stufen vor der Musikhalle und lässt den Blick schweifen. Der Kopf der „Fridays for Future“-Bewegung in Ludwigsburg und seine Mitstreiter fordern ein klimagerechtes Ludwigsburg. „Es kann nicht sein, dass die Leute mit ‚Parke-schön‘-Tickets auch noch dafür belohnt werden, mit dem Auto in die Stadt zu fahren, während diejenigen, die sich klimafreundlich mit dem Fahrrad fortbewegen, leer ausgehen“, sagt Moskau. Umso mehr freut er sich über den großen Andrang an diesem Freitag. „Aber solange die Klimakrise nicht gelöst ist, kann man nie zufrieden sein“, sagt er ernst. Dann nimmt er ein Mikrofon entgegen und begrüßt die Demonstranten zum 14. Klimastreik in Ludwigsburg.

Polizei und Veranstalter nennen stark unterschiedliche Teilnehmerzahlen

Die Demonstration an diesem Freitag ist etwas Besonders. Dem Aufruf der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg zum globalen Klimastreik ist neben der Ludwigsburger Ortsgruppe ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Organisationen gefolgt, darunter die Initiative „Parents for Future“, die IG-Metall, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und das Kinderhilfswerk terre des hommes. Die Veranstalter schätzen die Anzahl der Streikenden während der Demo auf 4000 bis 5000. Die Polizei geht hingegen von lediglich etwa 1500 Teilnehmern aus.

Nach Moskaus Ansprache zieht die Menschenmenge Richtung Marstall. Vorneweg fährt ein Mann mit einem Lastenrad, das mit Solarpanels ausgestattet ist – der Lautsprecherwagen der Ludwigsburger Klimaaktivisten. Der Demozug ist gesäumt von Zuschauern. Zum Marktplatz hin werden es immer mehr. Moskau und seine Mitstreiter bleiben mehrmals stehen. „Es gibt kein Recht auf Kohlebaggerfahren“ oder „Brecht die Macht der Energiekonzerne!“ skandieren die Schüler an vorderster Front. Am lautesten wird die Menge jedoch, wenn es heißt „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Ein Passant quetscht sich kopfschüttelnd und mit finsterer Miene durch die Menge. „Oh je, oh je, oh je“, sagt er. „Wo soll das hinführen?“ Viele andere Schaulustige am Straßenrand nicken hingegen zustimmend mit den Köpfen, Auch die Demonstranten registrieren die Menschen am Straßenrand, die sie beobachten, und fordern sie unverblümt zum Mitlaufen auf: „Leute, lasst das Glotzen sein. Reiht auch in die Demo ein!“

Auch Senioren klatschen Beifall

Als die ersten Demonstranten am Marktplatz ankommen, laufen manche erst am Busbahnhof los. Moskau ist hörbar überwältigt. „Wahnsinn, so viele waren wir noch nie!“, ruft er der Menge zu.

Nachdem Moskau gesprochen hat, wendet sich Nora Oehmichen von „Parents For Future“ an die Menschen auf dem Marktplatz. „Früher dachte ich immer, wir haben alles richtig gemacht“, sagt sie mit Bezug auf die deutsche Gesellschaft. „Freie Marktwirtschaft, Wohlstand für alle.“ Doch nach und nach sei ihr klar geworden, dass der Wohlstand in „Happyland“, wie es die Lehrerin nennt, auf einem System basiere, das andere konsequent benachteilige. „Ich habe genug von immer schneller, weiter, mehr. Lasst uns die Happylandbrille abnehmen.“ Ähnlich sieht es André Kaufmann von der IG Metall. „Ich bin hier, weil ihr Recht habt“, ruft er den Demonstranten zu und erntet frenetischen Jubel. Am Marktbrunnen sitzen zahlreiche Senioren und klatschen.

Inszeniertes Massensterben auf der Kreuzung

Nach der Kundgebung auf dem Marktplatz ziehen die Demonstranten weiter auf die gesperrte B 27. Hier kommt es zu einem außergewöhnlichen Spektakel. Während zig Autofahrer entrüstet hinter der Polizeiabsperrung hupen, werfen sich Hunderte Menschen auf die Straße und bleiben minutenlang regungslos liegen. Das „die in“, ein inszeniertes Massensterben, soll auf das siechende Klima aufmerksam machen. „Fuck Fridays for Future“, sagt ein Mann, der am Straßenrand steht. „Dann geht aber gefälligst morgen zur Schule.“ Die Demonstranten lassen sich von solchen Sprüchen wenig beeindrucken. Stattdessen ziehen sie Richtung Akademiehof – zur nächsten Kundgebung im Kampf für das Klima.