Seit Ende November fehlen Schüler freitags im Unterricht, um für konsequenteren Klimaschutz zu demonstrieren – auch in Stuttgart. Und was sagen die Lehrer dazu?

Stuttgart - Für Nisha Touissant-Teachout steht die Uhr im Klimaschutz schon lange auf fünf vor zwölf. „Beim Klimawandel handelt es sich um eine existenzielle Krise, und da wollen wir endlich Taten sehen“, sagt die 19-Jährige.

 

Mit diesem Anliegen geht sie seit Ende November jeden Freitag auf die Straße und demonstriert, gemeinsam mit anderen jungen Menschen, vor dem Stuttgarter Rathaus. „Ich will von der Politik glaubwürdige Anstrengungen sehen, zumindest die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Besser noch wäre das 1,5 Grad-Ziel.“ Bis dahin wollen Touissant-Teachout und ihre Mitstreiter den allwöchentlichen Protest fortsetzen.

1000 Teilnehmer erwartet

Inspiriert wurde die Aktion von der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg. Diese bestreikt seit Monaten ihren Schulunterricht. Weltweit folgen tausende junge Menschen unter der Bezeichnung „Fridays For Future“ (auf Deutsch: Freitage für die Zukunft) ihrem Beispiel. Alleine in Baden-Württemberg organisieren dies 25 Ortsgruppen, deutschlandweit sind es nach Zählung der Organisatoren über 150.

In Stuttgart haben die Fridays For Future einen bescheidenen Anfang genommen. „Wir haben uns in der Vorweihnachtszeit spontan mit fünf Personen auf den Marktplatz gestellt“, erinnert sich Touissant-Teachout, „natürlich – ganz symbolisch – um fünf vor zwölf.“ Seitdem haben die Proteste an Fahrt aufgenommen. Vergangene Woche kamen mehr als 400 junge Menschen, vornehmlich Schüler. Am heutigen Freitag erwarten die Organisatoren an die 1000 Teilnehmer. Die Ortsgruppen aus Tübingen, Ludwigsburg, Karlsruhe und Ulm haben sich für Freitag um 11 Uhr angekündigt – während der Schulzeit.

Im Zweifelsfall heißt’s nachsitzen

Das provoziert immer wieder Kritik. Schüler haben kein Streikrecht, auf das sie sich berufen könnten. Wer unentschuldigt fehlt, der schwänzt, ließen unter anderem die Kultusministerien von Baden-Württemberg und Bayern verlauten. So sieht das auch René Wollnitz, Schulleiter des Königin-Olga-Stift Gymnasiums. „Demokratie ist natürlich wichtig, aber muss das unbedingt während der Unterrichtszeit sein?“, fragt er in Richtung der Organisatoren.

Wenn Schüler für eine Demonstration den Unterricht schwänzen, habe die Schule dafür zu sorgen, dass der Unterricht nachgeholt werde. Das bedeutet im Zweifelsfall: Nachsitzen. Auch in Lehrerbegleitung und im Rahmen des Unterrichts sei die Teilnahme an einer Demonstration nicht vorgesehen, da es sich dabei um eine Tendenzveranstaltung handelt, bei der eine bestimmte Position vertreten wird. „Ansonsten müsste man zum Ausgleich auf eine Demonstration von der Kohleindustrie gehen.“

„Wir streiken nicht, weil wir die Schule blöd finden“

Thomas Schenk, Leiter des Schulamts, relativiert: „Grundsätzlich ist unentschuldigtes Fehlen nicht zu tolerieren“, sagt er, „aber die Schulen haben einen gewissen Spielraum. Es ist verständlich, wenn diesbezüglich zwei Herzen in der Brust des Pädagogen schlagen.“ Man könne das Thema durchaus in den Unterricht einbinden, solange auch andere Meinungen als die der Klimaschützer diskutiert würden. Mit Genehmigung der Schulleitung sei auch ein Lerngang zu den Demonstrationen möglich.

Touissant-Teachout selber hat die Schule abgeschlossen, aber bei den Protesten tauscht sie sich mit teilnehmenden Schülern aus. Immer wieder gebe es Nachsitzen oder Gespräche mit der Schulleitung, oft aber auch Unterstützung vonseiten der Schule. Den Zeitpunkt wollen die Organisatoren auf jeden Fall beibehalten. „Wenn wir außerhalb der Schulzeit demonstrieren, hört uns niemand. Es muss etwas passieren, auch wenn es dafür eine Grenzüberschreitung von uns braucht.“ Außerdem sei es kein Vergnügen, sich immer wieder in der Kälte vor das Rathaus zu stellen. „Da kann man auch leichter die Schule schwänzen und einfach ins Café gehen.“

Natürlich sei es aber dennoch wichtig, dass der ausgefallene Lernstoff nachgeholt werde. Da sieht die 19-Jährige jeden einzelnen Schüler in der Verantwortung. „Wir streiken ja nicht, weil wir die Schule blöd finden, sondern damit etwas passiert.“