In Stuttgart haben 37 Prozent der unter 25-Jährigen Grün gewählt. Woran liegt das? Und warum ist das Misstrauen junger Menschen gegenüber CDU und SPD so groß? Interview mit einer Fridays-for-Future-Aktivistin.

Stuttgart - Junge Menschen haben CDU und SPD bei der Europa- und Kommunalwahl kaum Stimmen gegeben, den Grünen aber umso mehr. Lucia Parbel, Studentin der Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim und Aktivistin für Fridays for Future, gibt Antworten dazu.

 

Frau Parbel, es war ein erklärtes Ziel der Fridays-for-Future-Bewegung, die Europawahl zur Klimawahl zu machen. Ist das gelungen?

Für Deutschland kann man das so sagen. Schon vor der Wahl haben 48 Prozent der Deutschen gesagt, dass für sie Klima- und Umweltfragen am wichtigsten sind und wahlentscheidend. Dass die Grünen hier so gut abgeschnitten haben, ist sicher Ausdruck davon. Leider ist das in dem Ausmaß kein europaweiter Trend.

In Stuttgart haben 37 Prozent der unter 25-Jährigen Grün gewählt. Fridays for Future sei Dank?

Ich denke schon, dass wir da etwas in Bewegung gebracht haben. Durch die Proteste haben viele junge Menschen angefangen, sich mehr mit Politik auseinanderzusetzen oder für das Thema Klimaschutz aktiv zu werden. Es geht ja für uns Junge um alles oder nichts. Entweder wir finden einen Weg aus der Klimakrise oder unsere Zukunft ist sehr unsicher. Das gesellschaftliche Bewusstsein für Klimathemen hat sich insgesamt gewandelt, nicht nur durch Fridays for Future. Auch die Proteste um den Hambacher Forst und der Hitzesommer im vergangenen Jahr haben dazu beigetragen.

Warum ist das Misstrauen junger Menschen gegenüber der CDU und der SPD so groß?

Generell ist für viele von uns die Identifikation mit solchen Parteien schwierig, weil sie schlicht kaum Inhalte für junge Leute bieten. Ihre Positionen zur Urheberrechtsreform haben die CDU sicher Stimmen gekostet. Und Klimapolitik findet bei CDU und SPD kaum Erwähnung. Wir sind meilenweit davon entfernt, das zu tun, was nötig wäre, damit wir das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen. Der aktuelle politische Kurs der großen Koalition hätte für unsere Generation fatale Folgen. Dass diese Politik nicht gewählt wird, ist doch nicht überraschend.

Hatte der Youtuber Rezo Einfluss?

Viele Proteste und Debatten von jungen Leuten haben sich ins Netz verlagert. Da haben wir einen Vorsprung vor älteren Menschen und können unseren Themen so Ausdruck verschaffen. Es hat Einfluss, wenn sich Youtuber wie Rezo klar positionieren. Ich habe von Jüngeren gehört, die nach dem Video zu uns von Fridays for Future gesagt haben: Wenn Rezo das auch sagt, habt ihr vielleicht recht.

Was machen die Grünen anders als andere Parteien?

Auch die Klimapolitik der Grünen ist – so, wie sie jetzt ist – nicht unterstützenswert. Manche kleine Parteien sind da vielleicht inhaltlich näher an den Forderungen von Fridays for Future. Bis diese sich aber im politischen System etabliert hätten, würde zu viel Zeit vergehen. Die haben wir nicht. Ich sehe bei den Grünen das größte Potenzial, wenn es um die Umsetzung von Klimaschutz-Forderungen von Fridays for Future geht. Jetzt hängt es davon ab, ob die Grünen tatsächlich anfangen, auf die Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen hinzuwirken. Und ob die anderen Parteien mitziehen.