Die Ostermärsche dürften auch in diesem Jahr keinen übermäßigen Zulauf erhalten. Viele wollen von Not und Leid andernorts offenbar wenig wissen, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es gibt viele Gründe, für den Frieden zu demonstrieren, und es werden derer täglich mehr: der Krieg in Syrien mit immer grässlicheren Bildern, die Spannungen mit Russland, das Säbelrasseln im Nordkorea-Konflikt oder gerade der US-Bombenabwurf in Afghanistan – der islamistische Terrorismus ohnehin. All dies muss nachhaltig beunruhigen. Doch ist bei den Ostermärschen, die am Karfreitag begonnen haben, erneut nicht mit übermäßigem Zulauf zu rechnen. Ist die deutsche Gesellschaft mittlerweile so geübt im Wegschauen, dass immer neues Leid andernorts nicht mehr aufschrecken kann?

 

Militarisierung der Außenpolitik

Es war an einem Karfreitag vor sieben Jahren, als die Bundeswehr am Hindukusch ihr bis dahin blutigstes Gefecht mit den Taliban bestehen musste. Drei Soldaten starben. Seither gehören tödliche Bedrohungen beinahe zum Alltag der Auslandseinsätze, mittlerweile auch bei der UN-Mission im afrikanischen Mali. Mit dem Afghanistan-Einsatz ist das Elend des Krieges für alle Deutschen sehr präsent geworden. Doch ist es hierzulande seltsam ruhig geblieben. Man hat sich an den Anblick der Särge irgendwie gewöhnt. Auch als die Bundesregierung einen radikalen Schwenk zur Militarisierung der Außenpolitik einleitete, gab es wenig Protest. Das milliardenschwere Aufrüstprogramm scheint weithin akzeptiert zu werden.

Die Aktivisten bleiben unter sich

Die Ostermärsche können davon jedenfalls nicht profitieren. Ein gut besuchtes Bundesliga-Spiel mobilisiert mehr Menschen als die alljährlichen Ostermärsche im Bundesgebiet zusammen, obwohl auch Gewerkschaften zur Teilnahme aufrufen. Die verschwindend kleine Gemeinde von Aktivisten bleibt unter sich. Die Gründe liegen zunächst in der Friedensbewegung selbst, die es nicht versteht, sich inhaltlich und personell zu erneuern. Überdauert hat ein bunter Haufen, dominiert von Altlinken und Dogmatikern. Zwar sind viele junge Menschen prinzipiell an den Themen interessiert, doch wollen sie nicht Seit an Seit mit unverbesserlichen Ideologen auftreten. Es mangelt an einer zeitgerechten Ansprache und einem unverstellten Blick der Friedensbewegten auf die Weltpolitik. Wer etwa einseitig die Amerikaner für alle Krisen verantwortlich macht und die Aggression der Russen in Syrien und der Ostukraine ignoriert, dem hört irgendwann keiner mehr zu. Und die Realität zeigt, dass die Devise „Frieden schaffen ohne Waffen“ oft nicht ausreicht. Diplomatie ist bedauerlicherweise kein Allheilmittel.

Während der öffentlich demonstrierte Pazifismus gänzlich außer Mode gekommen scheint, ist Friedenssehnsucht nach wie vor spürbar. In Umfragen zeigt sich die Skepsis der Bundesbürger gegenüber allem Militärischen. So hat aktuell eine klare Mehrheit den Luftschlag der Amerikaner als Reaktion auf den Giftgaseinsatz in Syrien abgelehnt. Zu groß ist die Gefahr eines gegenseitigen Hochschaukelns, zu unberechenbar sind Trump, Putin & Co.

Einst haben die Ostermärsche Hundertausende bewegt – da gab es noch klare Feindbilder. Heute sind die Krisen zu komplex geworden für schlichte Schuldzuweisungen. Wer ist gut, wer böse? Dies lässt sich in Syrien kaum ausmachen. Dass sich die große Mehrheit der Bürger dem gesellschaftlichen Diskurs über Krieg und Frieden entzieht, hängt aber auch mit der lähmenden Wirkung des Wohlstands zusammen. Er verleitet dazu, sich auf eine unpolitische Position zurückzuziehen – nach dem Motto: Lasst uns mit euren Kriegen in Ruhe. Es fragt sich, ob die Enthaltung von Dauer sein kann. Wer sich immer nur heraushalten will, kann sich mitschuldig machen am Fortgang der Konflikte.