Trotz zahlreicher Kriege auf der Welt und starken Rüstungsproduktion auch in Deutschland kann die Friedensbewegung bisher nur wenig mehr Ostermarschierer anlocken. Der Gewerkschaftsbund im Südwesten will ein Signal gegen die „Lethargie“ setzen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Sie soll nach der Einsicht der Stuttgarter Stadtoberen zwar nur einmal und nie wieder auf dem Messegelände einen Platz finden, doch ist die Waffenmesse ITEC vom 15. bis 17. Mai den Kriegsgegnern weiter ein Dorn im Auge. Am Karfreitag protestierten sie gegen die Militärschau vor dem Stuttgarter Flughafen – es war zugleich die Auftaktkundgebung der diesjährigen Ostermärsche. Deutlich mehr als 100 Friedensbewegte kamen, womit die Veranstalter schon hochzufrieden waren.

 

Mit einem Flashmob – der Simulation von Erschießungen durch einen Soldaten – machten sie auf die Folgen von Kriegswerkzeug aufmerksam. „Trotz eines grünen Ministerpräsidenten fühlen sich Rüstungsfirmen in Baden-Württemberg pudelwohl“, rügte Alexander Kleiß von der Informationsstelle Militarisierung Tübingen die weltweit gefragte „militärische Spitzentechnologie made im Ländle“. Zudem beschrieb er die Beliebtheit der Standorte im Südwesten für die deutschen und amerikanischen Militärs. Der Widerstand gegen immer neue Projekte soll forciert werden.

Auch global werden der Anlässe zu protestieren immer mehr: Kriegsbilder kommen aus Syrien, dem Jemen, Afghanistan, der Ukraine, vielfach zudem aus Afrika. Zudem droht eine Konfrontation der Großmächte. Die Friedensbewegung im Land kann bisher nur kaum erkennbar bei den Ostermärschen davon profitieren – trotz eines breiten Unterstützerkreises, zu dem auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gehört.

„Ich wünsche mir, dass die Beteiligung wieder zunimmt wie in den achtziger Jahren“, hofft DGB-Landeschef Martin Kunzmann gegenüber unserer Zeitung. Aber „selbst wenn wir nicht Hunderttausende auf die Straße kriegen, ist es wichtig, das Signal zu geben: wir trotzen der Kriegsrhetorik und stehen für den Frieden ein“. Etwa 2000 Menschen nahmen im Vorjahr an der Hauptkundgebung in Stuttgart teil, die diesmal Samstagnachmittag stattfindet. Dass es nicht mehr Teilnehmer sind, erklärt Kunzmann mit einer Politikverdrossenheit und der Haltung vieler, dass man da nichts bewegen könne. „Wir müssen die Lethargie der Menschen aufbrechen und den Rüstungswettlauf bekämpfen“, mahnt er.

Kritik an der Koalitionsvereinbarung

Soll Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen? Mehr als 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sieht der DGB-Landeschef Gefahren in einer wachsenden Militarisierung von Politik und Gesellschaft. „Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir als Gewerkschaft unsere Stimme dagegen erheben“, sagt er und kritisiert das Ziel der Bundesregierung, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Trotz Widerstands in der SPD sei das Vorhaben im Koalitionsvertrag „wachsweich“ fixiert worden. Wichtiger wäre es, die noch fehlenden 0,8 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe auszugeben – für Ernährung, Bildung und Aufbauhilfe. „Mit Panzern verhindern wir keine Flüchtlingsströme, sondern vergrößern sie noch.“

Werbung für Umwandlung in zivile Güter

Der Gewerkschaftsbund hängt mit seiner Ablehnung von Rüstungsexporten in der Zwickmühle, denn ungefähr 20 000 Arbeitskräfte sind in Baden-Württemberg davon abhängig. „Viele Beschäftigte sind davon überzeugt, dass es wichtig wäre, die Produktionen auf zivile Güter umzustellen“, dringt Kunzmann auf eine verstärkte Konversion. „Unsere Betriebsräte und Vertrauensleute weisen immer wieder darauf hin: Man muss den Entwicklern Chancen geben, über Alternativen nachzudenken.“ Er habe selbst noch als IG-Metall-Bevollmächtigter bei Thales in Pforzheim erlebt, dass alternative Produkte auf Betriebsversammlungen stets Thema gewesen seien. „Wir können gute Vorschläge machen, haben aber keine rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit.“ Letztendlich entscheide das Unternehmen darüber, was produziert wird. Es sei ein schwieriger Spagat gerade für die IG Metall, doch gebe es dazu klare Beschlüsse von Gewerkschaftstagen. „Wir dürfen da nicht locker lassen.“

Auf Distanz zu rechten Nationalisten

Nicht einfach ist es auch für den DGB, sich auf den Ostermärschen von Extremisten abzusetzen. „Unsere Ordner schauen, dass unsere Beteiligung nicht konterkariert wird“, sagt Kunzmann. „Sektierer, die extremistische Themen verfolgen, haben dort keinen Platz – denen müssen wir deutlich sagen, dass ihre Ziele nicht mit unseren vereinbar sind.“ Dies sei nach seiner Wahrnehmung bisher geglückt. Auch müsse man sich vor einer Unterwanderung durch rechte nationalistische Kreise schützen, die eine übertriebene Russland-Freundlichkeit bei gleichzeitig scharfem Anti-Amerikanismus pflegen. Er kritisiere Putin und Trump gleichermaßen, meint der DGB-Landeschef – da mache er keinen Unterschied. Zudem könne er die „glorifizierende“ Aussage von AfD-Chef Alexander Gauland, dass man auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen stolz sein könne, nicht nachvollziehen. Kunzmann: „Da müssen wir aufpassen und den Anfängen wehren.“

Auch am Karfreitag vor dem Flughafen verteilten Rechte ihr Material und wurden prompt als unerwünscht ausgerufen: „Rechte sind hier nicht willkommen“, sagte Thomas Haschke. „Sie haben mit Friedenspolitik so viel zu tun wie Heckler & Koch mit friedensbildenden Maßnahmen.“