Papst Franziskus hatte eingeladen und die Präsidenten der Israeli und Palästinenser, Schimon Peres und Mahmud Abbas, hatten spontan zugesagt: Im Vatikan beteten sie nun gemeinsam für den Frieden – ein wahrhaft historischer Moment.

Rom - Wie sie da die kleine Allee herunterkommen, im abendlich warmen Gegenlicht, der weiß gewandete Papst in der Mitte, die Präsidenten der Palästinenser und der Israelis links und rechts von ihm; wie das Streichorchester da anfängt zu spielen – Szenen sind das, die könnten jeden Politthriller dieser Welt auf harmonische Weise beschließen. Dabei soll, was an diesem Pfingstsonntag in den Vatikanischen Gärten passiert, erst der Anfang, ein neuartiger Anfang sein für den stockenden Friedensprozess im Nahen Osten: Franziskus hat Mahmud Abbas und Schimon Peres zum Gebet eingeladen, und beide haben, ohne zu zögern, Ja gesagt.

 

Die Politik, die ohnehin nicht weiterkommt, soll Pause machen an diesem Sonntag; es sprechen die Religionen. „Als Akt unserer höchsten Verantwortung“, sagt Franziskus, „rufen wir Gott um den Frieden an, den wir aus eigener Kraft nicht schaffen.“ Und aufgereiht an den Längsseiten dieser dreieckigen Rasenfläche, deren Spitze auf die Kuppel des Petersdoms weist und heimelig eingerahmt ist von vier Meter hohen Ligusterhecken, sprechen die Delegationen ihre Gebete: Psalmen und Suren, den Friedensgesang des Franziskus von Assisi,   arabisch, hebräisch, englisch und italienisch. Sie legen das Bekenntnis ab, dass sie alle zu einem Schöpfergott gehören – die Christen, die Juden, die Muslime –, und sie sprechen das Schuldbekenntnis – jeder für sich und jeder vor den anderen –, dass sie sich chronisch an Gott und Mensch versündigen durch Gewalt und Hass.

Dabei überkreuzen sich die Linien von Nationalität und Religion, und dadurch wird das Treffen historisch beispiellos: Israels Präsident Peres hat nicht nur Juden, sondern auch Muslime in seiner Delegation; Palästinenserpräsident Abbas hat nicht nur Muslime mitgebracht, sondern auch Christen; Papst Franziskus hat nicht nur Kardinäle aufgeboten, sondern als persönliche Freunde auch einen jüdischen Rabbi und einen muslimischen Imam dabei.

Für Frieden brauche man mehr Mut als für Krieg, sagt der Papst

„Um Frieden zu schaffen, braucht es sehr viel mehr Mut, als um Krieg zu führen“, sagt Franziskus. „Es braucht große Seelenstärke, Ja zu sagen zur Einhaltung der Abmachungen und Nein zu Provokationen; Ja zur Aufrichtigkeit und Nein zur Doppelzüngigkeit.“ Peres sagt: „Vor dem Herrn sind wir alle gleich; wir müssen das Kriegsgeschrei beenden; es ist unsere heilige Aufgabe als Eltern, unseren Kindern Frieden zu bringen.“ Abbas zitiert den Propheten Mohammed – „Verbreite um dich herum Frieden“ – und betet: „Hier sind wir, o Gott, ausgerichtet auf Versöhnung und Frieden. Mache unsere Schritte sicher, kröne unser Bemühen mit Erfolg.“

Um die Hardliner in allen beteiligten Religionen abzuwehren, hatte der Vatikan zuerst eine allseits verträgliche Formel für das ungewöhnliche Treffen finden müssen: „Wir beten nicht gemeinsam, wir kommen zusammen, um zu beten“, lautete sie. Und das dreieckige Rasenstück, gartenarchitektonisch sinnlos, wurde ausgewählt, weil es der religiös neutralste Ort im Vatikan war. Heute ist er das nicht mehr, denn als nach gut eineinhalb Stunden Gebet und Musik die Abendsonne, ganz weit oben, nur mehr die Kuppel des Petersdoms streift und die Fernsehkameras formatfüllend den aufgehenden Halbmond dahinter ins Bild rücken, als Peres und Abbas nicht nur den Papst umarmen, sondern sich auch gegenseitig zwei Küsse auf die Wangen drücken, da wird die Stimmung dichter als in jedweder Kirche, Moschee oder Synagoge.

Am Ende umarmt fast jeder jeden. Sogar der verblüffte Chef der Vatikan-Security, Domenico Giani, bekommt von einem Imam im Überschwang einen Kuss auf die Backe. Nicht wenige   Delegationsmitglieder haben mit ihren Handys den historischen Abend gefilmt. Und viele gehen seltsam aufgewühlt nach Hause.