Der diesjährige Friedensnobelpreis für die Jesidin Nadia Murad und den kongolesischen Gynäkologen Denis Mukwege ist ein wichtiges Signal für traumatisierte Frauen weltweit – und eine kleine Auszeichnung für Baden-Württemberg.

Stuttgart - Der diesjährige Friedensnobelpreis für die Jesidin Nadia Murad und den kongolesischen Gynäkologen Denis Mukwege ist ein großartiges Signal für Frauen weltweit – und er ist ein kleiner Triumph für Baden-Württemberg. Die 25-jährige jesidische Aktivistin Murad war im August 2014 im Irak von Kämpfern der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verschleppt und versklavt worden. Nach drei Monaten gelang ihr die Flucht. Dank eines Sonderprogramms der baden-württembergischen Landesregierung gelangte sie nach Deutschland, lebte in einer kleinen Gemeinde im Umkreis von Stuttgart. Hier begann sie erstmals, ihre Stimme zu erheben für die Belange der Jesiden: Jene religiöse Minderheit im Grenzgebiet zwischen Syrien und dem Irak, die von den Kämpfern des IS an den Rand der Auslöschung gebracht wurden. Die Islamisten erschossen in den jesidischen Dörfern die Männer und verkauften die Frauen auf Sklavenmärkten für ein paar Hundert Dollar an den Meistbietenden. Die Frauen wurden missbraucht, vergewaltigt, viele von ihnen begingen in der Gefangenschaft aus Verzweiflung Selbstmord.

 

Sexuelle Gewalt als Tabuthema

Der diesjährige Nobelpreis rückt ihr Leid und das Leid aller Frauen in Kriegsgebieten in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Denn während in westlichen Ländern Frauenquoten erstritten werden und Metoo-Aktivistinnen das Hollywood-Establishment zum Erzittern bringen, kämpfen Frauen andernorts gegen eine rohe, archaische, lebensbedrohliche und kaum noch vorstellbare Art von Gewalt. Es ist ein zutiefst ungleicher Kampf, denn in Konfliktgebieten gilt das Recht des körperlich Stärkeren. Und da sexuelle Gewalt in vielen Gesellschaften als Tabuthema gilt, dringt davon kaum etwas an die Öffentlichkeit. Diesen vergewaltigten, traumatisierten und in Scham und Stille leidenden Frauen haben Nadia Murad und Denis Mukwege eine öffentliche Stimme gegeben – und werden es dank dieser Auszeichnung noch viel besser tun können.

Auch für Baden-Württemberg ist dieser Preis ein kleiner Triumph: Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich vom Leid der jesidischen Frauen berührt gezeigt – und das Hilfsprogramm initiiert, das Nadia Murad und über tausend jesidische Frauen und ihre Angehörigen nach Deutschland brachte. Die Landesregierung hat gezeigt, dass ein kleines Bundesland in den globalen Kriegswirren ein bemerkenswertes Zeichen der Menschlichkeit setzen kann. Diese Entscheidung wurde an diesem Freitag in Oslo honoriert.