Mit einer Jubiläumsgala hat das Friedrichsbau-Varieté an seine Eröffnung vor genau 20 Jahren erinnert und vorgezogenen Abschied vom Gebäude gefeiert.

Stuttgart - Am Ende regnet es schwarze Papierschnipsel aus der Rotunde. Das soll kein schlechtes Omen sein. Das Varieté muss bekanntlich aus dem Friedrichsbau aus- und auf den Pragsattel umziehen. Aber die Feierlaune wollte sich das Team um Gaby Frenzel und Timo Steinhauer am Montag nicht verderben lassen. Exakt 20 Jahre nach der Wiedereröffnung der traditionellen Spielstätte im Bankgebäude hatte der Regisseur Ralph Sun ein liebenswert-heiteres Geburtstagsprogramm zusammengestellt. Neben den Akteuren der aktuellen Show gratulierten auch etliche Künstler, die dem Haus verbunden sind.

 

„Vor einem Jahr hätte ich gar nicht daran geglaubt, dass es diesen Tag für mich überhaupt noch gibt“, sagte die Hausherrin Gaby Frenzel. Inzwischen laufen die Planungen für das neue Theater auf Hochtouren, im September soll die Eröffnung gefeiert werden. Und neben dem Freundeskreis gibt es auch immer mehr Gesellschafter, die der neuen gemeinnützigen Friedrichsbau-Varieté Theatergesellschaft finanziell unter die Arme greifen. Die Unterstützung der Stadt habe sich das Geschäftsführer-Duo durch seine „positive, sympathische Penetranz“ erkämpft, sagte die Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann. Für sie sei Stuttgart ohne Varieté undenkbar. „Wir feiern noch viele weitere Jubiläen“, versprach sie: „Wir sind an Eurer Seite.“

Das demonstrierten auch die Stuttgarter Künstler mit ihren einmaligen Kurzauftritten: Die Clownin Rosemie steppte mit „Bombole“, die Sänger Ray Martin und Kimberly Trees rockten die Bühne, Evi & das Tier unterstützten stimmgewaltig die Burlesque-Tänzerin Miss Honey Lulu, Jorgos Katsaros und Topas zauberten, und das Friedrichsbau-Orchester spielte live – was für ein Unterschied zur Konserve! Herzlichen Beifall bekamen die drei Tänzer des Stuttgarter Balletts, die mit der Choreografie „Are you as big as me?“ von Roman Novitzky ihre Solidarität bekundeten.

Die Eröffnung war eins glanzvoll

Angesichts der finanziellen Situation fiel die Party nach der Show aus. Auch sonst bot der Abend trotz Gala wenig Glamour: Die Prominenz beschränkte sich auf etwas Kommunalpolitik. Vor 20 Jahren, zur glanzvollen Eröffnung, kam der große Bahnhof, allen voran Landesvater Erwin Teufel und Oberbürgermeister Manfred Rommel. Stehende Ovationen gab es für Oskar Heiler, den Veteranen des legendären, 1944 zerbombten Friedrichsbaus. Viel Beifall heimste der Conférencier Max Raabe ein, aber auch der Handgelenksarist, der Geräuschimitator und die Schlangenfrau.

Die Stuttgarter seien spätestens seit den 80er Jahren „Sensationsspezialisten“, urteilte damals der Feuilleton-Kollege Ruprecht Skasa-Weiß. Das 1980 eröffnete Sommertheater auf dem Killesberg habe aus ihnen „Artistik-Connaisseurs“ gemacht, die hinter Kraftburschen, Magiern, gummigliedrigen Damen so emsig her seien wie Schweine hinter Trüffeln. Die Eröffnungsshow gefiel unserem Kritiker nicht durchweg. Das Programm des Wiener Impresarios André Heller sei anfangs zu dröge, zu schwunglos gewesen. Im Gegensatz dazu beeindruckte ihn der neue Theaterraum: „Dort unten, Leute, ist’s fürchterlich lauschig, man sitzt in festlich illuminierter Rotunde so fashionabel wie in einer sternklar überstrahlten Tortenschachtel, auf blaugepolsterten Sesselchen allerdings.“

Die Jubiläumsvorstellung am Montag war gleichzeitig auch ein vorgezogener Abschied vom traditionellen Platz des Varietés. Daran erinnerte Werner Koch, der Vorsitzende des Pro Stuttgart Verkehrsvereins, einem der Gesellschafter. Zum Trost ließ der neue Nachbar Werner Schretzmeier vom Theaterhaus herzlich grüßen: „Wir ergänzen uns.“ Die blauen „Sesselchen“ werden übrigens im späten Frühjahr ausgebaut. „Ich lass’ hier nichts zurück“, verkündete Gaby Frenzel.