Sie engagieren sich persönlich und finanziell im Handball: Hartmut Jenner, der Geschäftsführer von Kärcher, beim TVB 1898 Stuttgart und Ulrich Weiß als Sponsor und Aufsichtsratschef bei Frisch Auf Göppingen. Vor dem Bundesliga-Derby an diesem Mittwoch sind sich beide einig: Der Süden ist schwer im Kommen.
11.05.2016 - 10:00 Uhr
Herr Jenner, schön, dass der künftige VfB-Präsident Zeit findet, mit uns über Handball zu plaudern.
Jenner: (lacht). Ich habe mir schon gedacht, dass etwas in diese Richtung von Ihnen kommt. Doch ich bitte um Verständnis: Ich werde keinerlei Fragen zum VfB Stuttgart beantworten. Weiß: Schade, ich dachte, Sie machen mir Mut, denn ich habe drei Flaschen Wein auf den Klassenverbleib des VfB gesetzt. Jenner: Heute soll es um Handball gehen – und dieser fantastische Sport ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit.
Können Sie dabei vom Stress im Beruf und vom VfB abschalten?
Jenner: Das gelingt tatsächlich. Auch wenn der TVB am vergangenen Sonntag beim 22:22 im Derby gegen den HBW Balingen-Weilstetten unnötigerweise noch einen Punkt gelassen hat, war ich genauso wie alle 6211 Zuschauer in der Porsche-Arena begeistert von dem Spiel. Härte, Dynamik, Tempo, Fairness – alles steckt in dieser Sportart drin. Weiß: Und auch die Frauen sind begeistert. Zum Fußballschauen begleitet mich meine bessere Hälfte nicht. Beim Handball ist sie immer dabei.
Wäre denn der Abstieg des VfB eine Chance für andere Sportarten?
Weiß: Nein, das ist eine Illusion. Jenner: Ich finde es grundsätzlich schön, wenn wir eine ausgewogene Sportlandschaft in der Region haben. Und gerade im Handball ist der Süden stark im Kommen.
Der TVB Stuttgart trägt seinen Teil dazu bei.
Jenner: Wir hoffen, dass das auch so bleibt. Rein rechnerisch sind wir zwar noch nicht durch, aber wir haben gute Chancen in der Liga zu bleiben. Und das wäre in dieser stärksten Liga der Welt alles andere als selbstverständlich. 13 der letzten 15 Aufsteiger mussten sofort wieder runter. Weiß: Ich wünsche Euch den Ligaverbleib von ganzem Herzen. Aber Nachbarschaftshilfe wird es am Mittwoch sicher nicht geben. Wir wollen mit einem Derbysieg Selbstvertrauen tanken mit Blick auf das Final Four um den EHF-Pokal am Wochenende in Nantes. Jenner: Frisch Auf hat einen doppelt so hohen Etat wie wir (Anm. d. Red.: fünf Millionen gegenüber 2,5 Millionen Euro). Es wird nicht einfach, in der EWS-Arena zu punkten. Ich wünsche mir nur, dass wir uns besser verkaufen als beim 23:31 im Hinspiel in der Porsche-Arena. Da war der TVB leider völlig chancenlos.
Derzeit sind die Rollen in Handball-Württemberg klar verteilt. Könnten Sie sich eine Wachablösung vorstellen?
Jenner: (Lacht). Also ich bin ja ein bisschen jünger als der Herr Weiß. Von daher habe ich mehr Zeit, das noch zu erleben. Im Ernst: So schnell wird sich am Nummer-eins-Status von Frisch Auf nichts ändern. Schon als Kind habe ich in Göppingen Handball geschaut. Dieser Verein hat eine Riesentradition und eine tolle Fankultur. Aber klar: Wir wollen uns weiterentwickeln und den Rückstand verkürzen.
Mittelfristig können Sie in Stuttgart nicht mit Mittelmaß bestehen.
Jenner: Zunächst wollen wir nicht immer zittern müssen und uns in der Liga etablieren. Ich gebe Ihnen aber recht, dass es wünschenswert wäre, in fünf Jahren in der Bundesliga unter den ersten Sechs zu stehen. Weiß: Der entscheidende Punkt, dauerhaft Erfolg zu haben, ist Kontinuität bei den handelnden Personen. Und die ist sowohl bei uns als auch beim TVB Stuttgart gegeben.
Herr Jenner, Sie könnten ja auch als Sponsor beim VfB aussteigen und mit dem Geld den TVB in die Champions League führen?
Jenner: Beide Mannschaftssportarten passen wirklich sehr gut zu unserer Philosophie. Wir haben einen gesunden Marketing-Mix.
Herr Weiß, Frisch Auf war vergangene Runde Fünfter, hat 2011 und 2012 den EHF-Pokal gewonnen. Wann folgt bei Ihrem Verein der Angriff Richtung Königsklasse?
Weiß: Ich hoffe, möglichst bald. Diese Saison ist unser Ziel Platz fünf bis sieben. Das nächste Ziel ist es, unter die ersten Vier zu kommen, und die ersten Vier spielen auch um die deutsche Meisterschaft. Doch in die absolute Spitze vorzustoßen, das ist der schwierigste Schritt. Wir arbeiten hartnäckig daran.
Spielmacher Michael „Mimi“ Krausspielt dabei keine Rolle mehr. Nach unseren Informationen hat er dem TVB im Falle des Klassenverbleibs für die neue Saison bereits seine feste Zusage gegeben.
Jenner: Michael Kraus ist ein Aushängeschild unserer Sportart. Wir haben Gespräche mit ihm geführt. Ein Vertrag ist noch nicht unterschrieben. Weiß: Mimi wusste seit Herbst Bescheid, dass es bei uns nicht weitergeht. Wir hatten damals entschieden, mit Zarko Sesum und im Zuge einer Verjüngung auch mit Daniel Fontaine zu verlängern. Hinzu kommt, dass die anderen Rechtshänder im Rückraum, Tim Kneule und Lars Kaufmann, gültige Verträge haben.
Kann der TVB Weltmeister-Torwart Johannes Bitter halten?
Jenner: Seine Verpflichtung war ein echtes Ausrufezeichen für unseren Verein. Ob er bleibt, hängt von der weiteren Entwicklung ab. Bleiben wir drin, denke ich, habe wir passable Chancen ihn zu halten.
Als möglicher neuer Trainer ist auch schon Junioren-National-Coach Markus Baur an der Gerüchteküche gehandelt worden. Sind in der neuen Saison drei Weltmeister von 2007 in den Reihen des TVB denkbar?
Jenner: Unser Trainer Thomas König hat einen Vertrag bis 2017. Ganz grundsätzlich werden wir die Saison nach dem letzten Spieltag am 5. Juni analysieren.
Wie lautet Ihr Tipp fürs Derby?
Weiß: Frisch Auf gewinnt mit fünf Toren Unterschied. Jenner: Wir kämpfen um mindestens einen Punkt. Ist die Halle eigentlich ausverkauft? Weiß: Es gibt nur noch Stehplatztickets. Jenner: Dann hätte ich noch einen Vorschlag: Wir könnten uns im Sinne des Handballs doch vornehmen, ein Derby in er Mercedes-Benz-Arena auszutragen. Weiß: Ein Derby im Fußballstadion wäre top. Wir könnten den Zuschauerrekord im Handball brechen.
Ein hehres Ziel. Der Rekord liegt bei 44 189 Besuchern, aufgestellt 2014 in der Commerzbank-Arena in Frankfurt.
Weiß: Was die Rhein-Neckar Löwen und der HSV Hamburg damals erreicht haben, schaffen wir auch. Jenner: Das sehe ich auch so. Denn wie gesagt: Der Handball im Süden ist schwer im Kommen.