Die Anzeichen hatten sich in den vergangenen Wochen verdichtet, jetzt steht die Entscheidung: Handball-Bundesligist Frisch Auf Göppingen und Rolf Brack gehen nicht gemeinsam in die neue Saison.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Göppingen - Am Donnerstag um 15.38 Uhr verschickte Frisch Auf Göppingen die Nachricht, die die Wenigsten noch so richtig überraschte: Der Handball-Bundesligist geht nicht mit Trainer Rolf Brack in die neue Saison. Die offizielle Version lautet: Im gegenseitigen Einvernehmen. In der Mitteilung heißt es: „Nach dem Saisonabschluss haben unter Einbeziehung aller relevanten Gremien in den vergangenen Tagen mehrere intensive Gespräche bei Frisch Auf stattgefunden. Aufsichtsrat, die Geschäftsführung, Sportliche Leitung und der Trainer haben dabei die zurückliegende Saison analysiert und aufgearbeitet. Sowohl die sportliche Bilanz als auch interne und externe Prozesse und Abläufe kamen zur Sprache und auf den Prüfstand. Unter Abwägung aller Themen und Bereiche haben die verschiedenen Beteiligten gemeinsam entschieden, dass sich Frisch Auf und Trainer Rolf Brack einvernehmlich trennen.“ Wie auch immer die Trennung beschrieben wird: Sie geht als eines der größten Missverständnisse in die Vereinsgeschichte ein. Denn erst am 2. Februar diesen Jahres gab der Traditionsclub die Verlängerung des ursprünglich am Saisonende auslaufenden Vertrags mit dem Trainer bis zum 30. Juni 2019 bekannt.

 

Diskussionen um Trainings- und Belastungssteuerung

Wie es zu der Kehrtwende kam? Offenbar haben sich die Probleme zwischen dem Großteil der Mannschaft, der medizinischen und der athletischen Abteilung auf der einen Seite und dem erfahrenen Coach auf der anderen dramatisch verschärft. Ein vertrauensvolles Miteinander in der Zukunft, so viel sickerte durch, sah der Verein schlicht und ergreifend als unmöglich an. Es ging dabei um zwischenmenschliche Dinge, aber auch um fachliche Fragen, die etwa die Trainings- und Belastungssteuerung betreffen. Die Dissonanzen gipfelten in gegenseitige Schuldzuweisungen, was die Ursachen für die sehr hohe Zahl an Verletzungen betraf.

Sportlich dagegen gab es unter der Regie von Brack in einigen Bereichen durchaus Fortschritte – auch wenn die Punkteausbeute dies nicht unbedingt widerspiegelte. Der 64-Jährige kam Ende September 2017 bei 4:6 Punkten als Nachfolger des Schweden Magnus Andersson. Am Schluss der Bundesligasaison standen 31:37 Zähler auf dem Konto, was nur zu Platz zehn reichte. Im EHF-Pokal gab es für den Titelverteidiger in 14 Spielen dafür elf Siege. Der Einzug ins Final Four in Magdeburg endete auf Platz vier.

Dass es die Probleme gab, hatten zuletzt alle Beteiligten offen eingeräumt. Brack wollte das Ganze allerdings nicht zu hoch hängen: „Nicht Stimmungen sind entscheidend, sondern Resultate. Alles, was ich tue, ist zum Wohle des sportlichen Erfolgs von Frisch Auf“, sagte er. Oder auch: „Reibereien und Konflikte gibt es, wenn Personen zusammenarbeiten. Ich bin seit 35 Jahren Trainer. Mit Harmonie gewinnt man keine Spiele, sondern mit erfolgsorientierter Arbeit.“ Brack weiter: „In Wissenschaft, Politik und Sport gibt es nun mal nicht immer nur eine Meinung.“ In der Pressemitteilung vom Donnerstag wird der Sportwissenschaftler wie folgt zitiert: „Es war eine interessante und intensive Zeit mit großen Herausforderungen im EHF-Pokal und in der Bundesliga. Letztendlich gab es unterschiedliche Auffassungen in der Bewertung der abgelaufenen Saison und über die sportliche Weiterentwicklung in der neuen Saison 2018/2019.“

Geht Kapitän Sesum doch schon sofort?

Die Kehrtwende in der Trainerfrage trifft den Verein auch finanziell. Nach menschlichem Ermessen muss Brack ein Jahr weiter bezahlt werden. Dadurch könnte auch nochmals Bewegung in die Personalie Zarko Sesum kommen. Da Frisch Auf jeden Euro brauchen kann, ist es denkbar, dass der Club seinen Kapitän und Topverdiener doch schon zur neuen Saison gegen eine Ablösesumme zum Schweizer Topclub Kadetten Schaffhausen ziehen lässt.

Bleibt die Frage, auf welchen Trainer Frisch Auf bei seinem Neustart setzt. An der Gerüchteküche kursieren bereits einige Namen: Darunter sind international renommierte (National)-Trainer wie die Isländer Patrekur Johannesson (Coach der österreichischen Nationalmannschaft) und Gudmundur Gudmundsson (früher Rhein-Neckar Löwen/inzwischen Trainer der isländischen Nationalmannschaft), Juri Schewtsow (Trainer Weißrussland), genauso wie Markus Baur (zuletzt TVB 1898 Stuttgart) und Hartmut Mayerhoffer. Mayerhoffer hat die die SG BBM Bietigheim zweimal in die Bundesliga geführt und steht noch bei keinem Verein für die neue Saison unter Vertrag. Vergangenen Sonntag hat der 48-Jährige dem Zweitliga-Absteiger ThSV Eisenach abgesagt.