Vor allem Frauen wissen, wie sehr ein "Bad-Hair-Day" Stimmung und Tagesform in den Keller gehen lässt. Sitzt die Frisur, gibt das dagegen ein gutes Selbstwertgefühl. Aktuell während der Corona-Krise sicher noch wichtiger als sonst. Seit Montag dürfen Friseure wieder ran ans Haupthaar und dem Wildwuchs ein Ende machen. Ein Stimmungsbild.

"Hast du derzeit keine anderen Probleme", ist Melanie von ihrer Freundin gefragt worden, als sie ihr erfreut darüber berichtet hat, dass sie gleich in der ersten Woche der Wiedereröffnung der Friseursalons einen Termin ergattert hat. Ob sie keine Angst habe, sich anzustecken, bei dem engen Kontakt, den sie über eine lange Zeit  zu ihrer Friseurin haben würde? Und lange hat es bei Melanie wirklich gedauert, bis sie schließlich mit einem zufriedenen Lächeln und frisch gestutzer Haarpracht in den Spiegel schaut. "Was ich da auf dem Kopf hatte, war keine Frisur mehr, das war ein ausgewachsener Pudel", sagt sie lachend. "Zudem all die grauen Haare, die mit Anfang 40 nunmal immer mehr kommen. Ich habe mich einfach nicht mehr wohl in meiner Haut gefühlt", erzählt die Stuttgarterin. Auch wenn es viele ihrer Bekannten in Zeiten von Covid-19 als Luxusproblem abtun: "Mir gibt ein gepflegtes Äußeres ein gutes Gefühl und das können wir aktuell wohl alle gebrauchen."

 

"Einfach nur toll, dass es wieder los geht"

Beschwingten Schrittes verlässt Melanie schließlich den Salon ThrixBar in Stuttgart-Möhringen. Dieses Mal ohne die vor Corona übliche Umarmung von Wulla Andrikou. Die Friseurmeisterin und Inhaberin des Salons ThrixBar freut sich "riesig" über viele Stammkunden, die ihr seit Jahren die Treue halten und ihr auch während der Krise aufmunternde Nachrichten geschrieben haben. Auch wenn sie gar nicht weiß, wie sie die vielen Anfragen bei verordnet geringerer Auslastung des Ladens befriedigen soll, ist sie positiv gestimmt: "Es ist einfach nur toll, dass es wieder los geht. Auch wenn uns durch das Tragen der Maske den ganzen Tag über oft schlicht die Luft wegbleibt, wir sind einfach happy."

Erst Ende Mai wieder Termine frei

Genau so sieht es auch Tobias Lutz. Seit neun Jahren betreibt er seinen Salon Meyer & Marks Friseure in Fellbach. "Endlich haben wir wieder offen." Seine Kunden hätten während der Schließzeit ebenfalls immer wieder nachgefragt, wie es ihm und seiner Familie gehe. "Zusammenhalten ist in der Corona-Krise nicht nur ein Hashtag, sondern es wird auch gelebt", ist Lutz' Erfahrung. Seine Auftragsbücher sind voll. Täglich rufen seit Wiedereröffnung doppelt so viele Kunden an wie sonst. "Mittlerweile vergeben wir Termine für Ende Mai."

Die Kunden teilen die Begeisterung von Tobias Lutz über den Neustart, seien offener für Beratung und dafür, einen gewagteren Schnitt oder eine neue Farbe auszuprobieren. Manche wären aber auch erschrocken über die srengen Hygieneauflagen im Salon. "Ich seh schließlich aus wie ein Doktor mit meinem Kittel, den Handschuhen und dem Mundschutz", sagt Tobias Lutz. "Doch die Kunden melden uns zurück, dass sie sich sicher bei uns fühlen." Jeder, der den Laden in Fellbach betritt, muss einen Mundschutz tragen, sich die Hände desinfizieren und ein Formular ausfüllen. "Damit im Falle einer Infektion nachverfolgt werden kann, wer bei uns Kunde war." 

Trotz voller Kalender Kurzarbeit denkbar

Um die vorgeschriebenen anderthalb Meter zwischen den Stühlen einzuhalten, stehen nur noch vier der vormals zehn Kundensessel im Salon. Der starken Nachfrage versuchen Lutz und seine Mitarbeiter mit verlängerten Öffnungszeiten gerecht zu werden. Um die Umsatzeinbußen der vergangenen Wochen zu kompensieren, hat Tobias Lutz die Soforthilfe des Landes beantragt und bekommen. "Doch ohne Eigenkapital hätten wir die Zeit wohl kaum überstanden."

Auch Rainer Balle, seit beinahe 20 Jahren aktiv in der Friseur-Innung Stuttgart/Ludwigsburg sowie Mitinhaber des BY Haarstudios in Stuttgart-Vaihingen ist skeptisch, was die Zukunft der Friseurbetriebe anbelangt. "Durch die reduzierte Kundenanzahl in den Salons kann logischerweise weniger Umsatz generiert werden und man muss sehen, inwieweit sich die betriebswirtschaftliche Situation der Betriebe entwickelt." Eine mögliche Folge der geringeren Auslastung könnte seiner Ansicht nach sein, dass Mitarbeiter in Kurzarbeit beschäftigt werden müssen. "Sicherlich nicht mit hundert Prozent. Aber es könnte durchaus sein, dass Mitarbeiter vorerst nur zu 50 Prozent beschäftigt werden können. Die Soforthilfen der Bundesregierung und natürlich der Bundesländer haben sicherlich enorm dazu beigetragen, dass etliche Betriebe nicht nach sechs Wochen vor dem existenziellen Ende standen." 

Auch Adnan Yavuz, Chef und Partner von Rainer Balle im BY Haarstudio in Stuttgart-Vaihingen, erzählt von vielen Kundenanfragen bereits vor der Wiederöffnung am 4. Mai. "Und auch wenn es aus Hygienegründen momentan weder Kaffee noch Zeitschriften geben darf, ist das für unsere Kunden absolut zweitrangig. Was für sie zählt, ist sich nach dem Besuch bei uns wieder wohlzufühlen."