Das Verfassungsgericht
hat dem Gesetzgeber bis Ende Juni Zeit gegeben für eine Neuregelung gegeben. Die Koalition hofft nun auf eine Einigung in letzter Minute.

Berlin - Wenn Finanzpolitiker in diesen Tagen auf die geplante Reform der Erbschaftsteuer angesprochen werden, reagieren sie mit einem Achselzucken. Am 30. Juni 2016 läuft die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist für ein neues Gesetz aus, doch eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Das Bundesfinanzministerium verweist auf die Koalitionsspitzen, die sich um einen Kompromiss bemühen. Bei den letzten Sitzungen des Koalitionsausschusses wurde das Thema vertagt, denn die CSU hat nach wie vor Bedenken gegen die Vorschläge der Bundestagsfraktionen von Union und SPD.

 

Die Koalition bereitet sich darauf vor, dass erst „in letzter Minute“ eine Einigung erzielt wird, wie es in Verhandlungskreisen heißt. Der Bundestag wird frühestens im Juni abstimmen. Danach geht das vorgesehene Gesetz in den Bundesrat. Fraglich ist, ob eine fristgemäße Verabschiedung in der Länderkammer noch möglich ist. Der Bundesrat kommt zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 8. Juli zusammen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Termin des Verfassungsgerichts abgelaufen ist. Das wäre wohl die letzte Chance, um das Gesetz ohne Beanstandung des Verfassungsgerichts zu verabschieden. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel rasch verständigen.

Die Verbände werden ungeduldig

Nicht nur die Wirtschaft wird ungeduldig. „Es wird höchste Zeit, dass die Koalition bei der Erbschaftsteuer eine Einigung erzielt“, sagte der DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Die Aussichten, dass die Regierung die Streitpunkte bei der Erbschaftsteuer in der nächsten Woche auf der Kabinettsklausur in Meseberg klären kann, sind aber minimal. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat die Erbschaftsteuerreform zur Chefsache erklärt. Auf der Kabinettsklausur ist Seehofer nicht dabei.

Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) ist über die Hängepartie verärgert: „ In der Politik hatten wir über ein Jahr Zeit, die Reform der Erbschaftsteuer fristgerecht umzusetzen. Dass dies der Koalition in Berlin nicht gelungen ist, ist ein echtes Trauerspiel“, sagte Schäfer dieser Zeitung. Der Minister warnt vor Rechtsunsicherheit für Familienbetriebe.

In der Sache prallen die Standpunkte aufeinander. Ein Konsenspapier, das die Fraktionsvizes Ralph Brinkhaus (CDU) und Carsten Schneider (SPD) erarbeitet haben, wird von der CSU nicht mitgetragen. Während die Sozialdemokraten zunächst jede Änderung ablehnten, ist nun zu hören, es könne an ein oder zwei Stellen noch Änderungen geben. Die CSU müsste sich in diesem Fall aber von der Vorstellung verabschieden, dass eine Vielzahl von Punkten korrigiert wird. Die Bayern machen sich zum Beispiel dafür stark, dass bei der vom Verfassungsgericht geforderten Bedürfnisprüfung für große Familienunternehmen das bei einem Erben bereits vorhandene Privatvermögen nicht berücksichtigt wird. Nach dem Vorschlag der Regierung sollen künftig Erben großer Familienunternehmen die Hälfte ihres gesamten Privatvermögens einsetzen, um die Erbschaftsteuer für die Übertragung des Betriebs zu bezahlen. Die CSU sagt, es dürfe nur das nicht begünstigte Vermögen eingesetzt werden, das dem Erben oder Beschenkten zugefallen ist. Damit steht die CSU bis jetzt allein.

Kompromisse bei Details möglich

Kompromisse sind dagegen noch bei einzelnen Regelungen möglich, die zwar für die Unternehmen wichtig sind, aber weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Der BDI-Steuerabteilungsleiter Berthold Welling empfiehlt, eine generelle Stundungsmöglichkeit für Firmenerben vorzusehen. „Das könnte den Druck aus der Erbschaftsteuerreform nehmen“, sagte Welling. Wenn Firmenerben die Möglichkeit hätten, die Steuerschuld über mehrere Jahre zinslos abzustottern, bewirke dies Akzeptanz, meint der BDI-Experte.

Bis jetzt sieht das Konsenspapier von CDU und SPD vor, dass nach dem Tod des Firmeneigentümers ein Rechtsanspruch auf eine zehnjährige zinslose Stundung auf die Erbschaftsteuer eingeführt wird. Die Wirtschaft fordert eine allgemeine Stundungsregelung, die nicht nur für Erbfälle gilt: Die Stundung soll demnach auch auf Schenkungen und das Verwaltungsvermögen (wie vermietete Grundstücke) ausgeweitet werden. Das verlangt auch die CSU. Die Zeit läuft aber allmählich davon.