Von der Westmischung bis zum patentierten Schäumle – lokale Röstereien trotzen den Riesen

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

S-West - Neben einer alten Postwaage lagern Jutesäcke mit grünen Kaffeebohnen. Früher war in dem Ladengeschäft an der Gutenbergstraße eine Metzgerei, heute wird hier Kaffee geröstet. In der Ecke des Raumes dröhnt die zwei Meter hohe Röstmaschine. „Für andere ist das, was die Maschine macht, Lärm. Für mich ist das Musik“, sagt der Röstmeister der Kaffeerösterei Fröhlich, Manfred Fröhlich.

 

Zehn Kilo grüne Kaffeebohnen hat der gelernte Kaffeesommelier vorhin durch einen Trichter in die Maschine gefüllt. Nun lässt die Hitze die Bohnen durch die Trommel fliegen – drinnen knackt es, weil die Häutchen der Bohnen platzen. Manfred Fröhlich hat zur Sicherheit auf die Uhr geguckt, aber letztlich entscheidet er nach Gefühl, wann der Kaffee nach 15 bis 20 Minuten reif ist, um ins Sieb zum Abkühlen abgelassen zu werden. Immer wieder prüft er über einen kleinen Schieber, wie braun die Bohnen sind. Industriell gerösteter Kaffee werde nur zwei bis drei Minuten und das ungefähr doppelt so heiß geröstet wie bei ihnen, erzählt Fröhlich – ihn schüttelt es innerlich bei dem Gedanken an den aromaarmen Industriekaffee.

Die Kaffeerösterei Fröhlich im Westen ist nur ein Beispiel für die kleine, feine Szene an Kaffeeröstern, die sich in Stuttgart seit einigen Jahren etabliert hat. Während den meisten Stuttgartern heute nur Hochland einfallen dürfte, wenn es um einen hiesigen Anbieter von hochwertigem, in Stuttgart geröstetem Kaffee geht, gibt es noch einige Namen mehr: Die Fröhlichs rösten zum Beispiel seit 13 Jahren im Westen, Ercan Özens Glora Kaffeehaus mit eigener Rösterei sitzt in Bad Cannstatt und im Osten. Und der ehemalige Kaffeehändler Giuseppe Principe („Caffè Principe“) hat vor sechs Jahren entschieden, Espresso in Untertürkheim zu rösten.

„Wir freuen uns über kleine Röstereien“

Bei Hochland guckt man durchaus mit Wohlwollen auf die kleine Konkurrenz – und umgekehrt. „Wir freuen uns über kleine Röstereien“, sagt die Hochland-Sprecherin Birgit Krauße. Und Meike Fröhlich, die Inhaberin der Rösterei Fröhlich im Westen, sagt, dass sie letztlich von Hochland profitierten – den Stuttgartern sei qualitätsvoller Kaffee etwas wert.

Die „größte Kaffeemanufaktur Deutschlands“ ist im Vergleich zu Jacobs, Tchibo und Co. nur ein Däumling, aber gegenüber den übrigen Stuttgarter Röstereien ist Hochland mit seinen 85 Mitarbeitern und rund 1000 verarbeiteten Tonnen Rohkaffee pro Jahr doch ein Riese. Bei Hochland, wo ebenfalls auf ein langes Röstverfahren gesetzt wird, passen 70 Kilo in die Trommeln, bei den Kleinröstern landen meist zehn Kilo in der Maschine. Industrielle Großröster wiederum verarbeiten pro Röstung sogar mehrere Tonnen Bohnen.

Der „Hype“ um den Kaffee habe Ende der 90er Jahre begonnen und sei aus Amerika nach Deutschland und damit auch nach Stuttgart gekommen, erinnert sich Birgit Krauße von Hochland. Zuvor habe Kaffee ein kleines Imageproblem gehabt, er galt als alt und schrullig. Das ist mit Latte macchiato vorbei gewesen. Heute gibt es regelrechte Feinschmecker unter den Kaffeetrinkern – und Stuttgarter Cafés, die inzwischen mehr als 50 Kaffeesorten anbieten.

„Die Leute sind wählerischer geworden“, ist der Eindruck von Giuseppe Principe. Der Chef von Caffè Principe wirft mittwochs in Untertürkheim seine Röstmaschine an. Interessierte können kommen und zugucken, wie sich die grünen Bohnen verwandeln. Mancher Privatmann habe inzwischen eine bessere Kaffeemaschine zu Hause stehen als Gastronomen. „Wir versuchen, die italienische Kaffeekultur zu repräsentieren“, sagt der Italiener. Er hat ein Patent angemeldet: den Namen Stuttgarter Schäumle hat er sich schützen lassen, dahinter verberge sich ein dickflüssiger Kaffee mit schöner Crema. Er beliefere überwiegend Gastronomen, sagt Principe.

Auch die Fröhlichs zählen viele Gastronomen zu ihren Kunden, wie die Wielandshöhe und das Café Lässig in der Bauernmarkthalle. Meike Fröhlich erinnert sich noch, wie draußen vor dem Laden 1999 zwei alte Frauen standen und das Rösterei-schild lasen: „Hier wollen Sie Kaffee rösten?“, fragten die Damen. Dazu brauche man doch eine Fabrik. Die 43-Jährige lacht.

Um Kaffee zu rösten benötigt man keine Fabrik

Manfred Fröhlich öffnet die Klappe der Rösttrommel, die braunen Bohnen schießen ins Kühlsieb und verströmen ihren Duft. Von den zehn Kilo sind nach dem Rösten noch rund acht Kilo übrig geblieben. Eigentlich, erzählt der 62-Jährige, sei er Maschinenbauer. Als seine Firma ihn in den Vorruhestand schickte, wollte er zuerst einen Teeladen aufmachen. Dann sei er auf das Wiener Kaffeeexperteninstitut gestoßen, habe die Ausbildung zum Sommelier gemacht und unterstütze seither seine Tochter Meike. Das Praktische an seinem alten Berufsleben: „Mir macht die Wartung der Maschine richtig Spaß.“

Auch Mama Roswitha Fröhlich hilft mit – sie steht regelmäßig hinterm Tresen, um die 25 Kaffeesorten und die Mischungen zu verkaufen. Die Fröhlichs verarbeiten Kaffeebohnen aus Süd- und Mittelamerika, Papua-Neuguinea und Java – fast ausschließlich Arabica-Rohkaffee. Meike Fröhlich trinkt am liebsten die kräftige Wiener Kaffeehausmischung. am besten laufe aber die Stuttgart-West-Mischung. Wenn sich Manfred Fröhlich etwas gönnt, macht er sich einen „überstürzten Neumann“. Dafür schüttet er einen doppelten Mokka über Schlagsahne. „Das kann ich löffeln.“

HOHER KONSUM – 149 LITER KAFFEE TRINKEN DEUTSCHE PRO JAHR

Tag des Kaffees
Zum siebten Mal wird am heutigen Freitag der Tag des Kaffees gefeiert. Laut dem Deutschen Kaffeeverband ist Kaffee das am häufigsten konsumierte Getränk der Deutschen: 149 Liter hat jeder im Schnitt im Jahr 2011 getrunken. Dagegen waren es 107 Liter Bier.

Tradition
Die meisten alten Stuttgarter Kaffeemarken gibt es nicht mehr. An Gründner, Klein oder Grasshoff erinnern noch alte Kaffeedosen auf dem Flohmarkt. In der Helfferichstraße wird aber immer noch Fritsch-Kaffee verkauft. 1891 wurde die Rösterei gegründet, seit Mitte der 70er Jahre wird nicht mehr im Stuttgarter Norden in einem Keller geröstet, sondern bei München – aber das immer noch, wie die Inhaberin Stefanie Steinacker betont, „nach unseren alten Rezepturen“.

Arten
Die beiden wichtigsten Arten der Kaffeepflanze sind Arabica und Robusta. Arabica-Pflanzen wachsen nur im Hochland, die Bohnen sind deshalb teurer und haben vielfältigere Aromen. Robusta-Bohnen haben einen höheren Koffein- und Säureanteil als Arabica-Bohnen.