In nahezu der gesamten Region hat ein Kälteeinbruch im April die Ernte von Kirschen, Birnen und Zwetschgen zunichte gemacht. Im Gegensatz zu Wengertern können sich Obstbauern gegen Frostschäden nicht versichern. Das soll sich ändern.

Kreis Esslingen - Am Montag hat Karl Müller diverse Obstbaubetriebe in der Region besucht, um sich über deren durch den Kälteeinbruch Mitte April verursachten Schäden zu informieren. Was der Vorsitzende des nord-württembergischen Landesverbands der Klein- und Obstbrenner da erfahren hat, ist betrüblich. Denn nahezu jeder Obstbauer sei von der Naturkatastrophe betroffen – „lokal bis zum Totalausfall“, sagt Karl Müller. Der am 20. April einsetzende und ein paar Tage andauernde Frost habe mit bis zu acht Grad Kälte nahezu das ganze Land, vom Bodensee bis Rheinhessen, heimgesucht. Stark betroffen seien im Bereich seines Verbands das Kocher-, das Jagst- und das Neckartal. Die Zeichen für die diesjährige Produktion von Destillaten aus Kirschen, Birnen und Zwetschgen stünden sehr schlecht. Und im Gegensatz zu Weinbaubetrieben könnten sich Obstbauern noch nicht einmal gegen Frostschäden versichern: „Das bietet keine Elementarversicherung an.“

 

Auf der Suche nach einer vernünftigen Lösung

Karl Müller und seine Kollegen anderer Landesverbände wollen das ändern. Es würden bereits Gespräche mit Vertretern der Politik geführt. Es müsse eine „vernünftige Lösung“ gefunden werden, sagt Karl Müller. Denn er und seine Mitstreiter wollen es nicht hinnehmen, „dass man so ein hohes Risiko trägt und sich nicht dagegen versichern kann“. Zumal er den Eindruck habe, dass sich die extremen Witterungseinflüsse in der jüngsten Vergangenheit häuften. Unter anderem eben – wie in diesem Fall – starke Kälteeinbrüche im April, nachdem der warme März die Natur schon früh zur Blüte angestoßen habe.

Alle in den betroffenen Regionen wirtschaftenden Landwirte habe es getroffen. Zum Beispiel auch Karl Müllers in der Nähe von Öhringen (Hohenlohekreis) ansässigen Zulieferer von Williamsbirnen. Er habe ihm berichtet, er sei schon froh, „wenn es für einen Kuchen langt“. Glück hätten nur einige wenige Landwirte gehabt, deren Bäume später geblüht hätten. Und auch die hätten noch Schaden nehmen können, weil am 10. Mai noch einmal ein Kälteeinbruch mit bis zu minus drei Grad habe verkraftet werden müssen.

Selbst die größten Mühen, in den kalten Aprilnächten das Unheil abzuwenden, hätten nichts genutzt. Beregnungen, um die Blüten mit einer Eisschicht zu schützen, seien weitgehend ins Leere gelaufen. Auch die Versuche mit Hubschraubern die kalte Luft zu verwirbeln oder mit Feuer und großen Ventilatoren Wärme in die Anlagen zu blasen, seien nicht von Erfolg gekrönt gewesen. „Es war einfach zu lange zu kalt.“

Björn Epple betreibt in der Kirschen-Hochburg Neidlingen seit zehn Jahren eine Brennerei im Nebenerwerb. Solche Einbußen durch Frost habe er in dieser Zeit noch nie hinnehmen müssen, sagt er. Für ihn ist klar: „Schütteln brauchen wir in diesem Jahr nicht.“ Nur zehn Prozent der normalen Ernte erwarte er bei den Kirschen, auch bei den Birnen und Zwetschgen sehe es „ganz schlecht“ aus. Zudem rechne er bei der Apfelernte mit 80 Prozent Ausfall. „Da kann man nichts machen, das ist halt die Natur. Das geht allen Kollegen so“, bemüht sich Björn Epple um Gelassenheit in der Not. Aber es schmerze sehr, dass durch den zu erwartenden geringen Ertrag „noch nicht einmal die Unkosten gedeckt“ seien.

Erträge tendieren gegen Null

Das bestätigt auch Karl Müller. Der finanzielle und zeitliche Aufwand für die Pflege des wenigen verbliebenen Obstes und der Bäume müsse trotz des „gegen Null“ tendierenden Ertrags von den Landwirten betrieben werden. Hinzu komme, dass der Preis für Mostobst aufgrund des Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage mit Sicherheit steigen werde. Für die kleineren Brennereien werde so „keine Wertschöpfung zu generieren sein“, ist sich Karl Müller sicher. Denn er gehe davon aus, dass in den betroffenen Regionen deutlich weniger Obst in den Kesseln gebrannt werde. Lediglich „die Großen der Branche haben zur Überbrückung mindestens eine Ernte im Glaskolben“.

800 000 Obstbäume im Kreis

Verband
Der Landesverband der Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg zählt rund 2000 Mitglieder. Er feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Dem Pendant in Süd-Württemberg gehören circa 2500 Brenner an. Der größte Verband dieser Art im Land ist jener in Baden mit etwa 8000 Mitgliedern. Insgesamt gib es in Deutschland acht Landesverbände, die im Bundesverband der Klein- und Obstbrenner zusammengefasst sind.

Obstbau
Der Kreis Esslingen ist geprägt durch langjährigen Streuobstbau. Auf 9600 Hektar Streuobstflächen befinden sich rund 800 000 Obstbäume. Neidlingen und Weilheim gelten als das größten Kirschenanbaugebiet Deutschlands. In rund 300 Mostereien und Brennereien werden die Früchte verarbeitet. Unter anderem setzen sich 65 Obst- und Gartenbauvereine für die Erhaltung dieser Kulturlandschaft ein.